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Unsere Oma

Unsere Oma

Titel: Unsere Oma
Autoren: Ilse Kleberger
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sie glaubte zu bemerken, daß die Trauer aus seinen Augen verschwunden war.

Auf Wiedersehn!

    Wie schnell die Zeit verging! Noch nie hatten die Kinder Ferien erlebt, die mit solcher Windeseile verflogen waren.
    Eines Abends sagte der Onkel zu ihnen: »Ihr seid ja ganz tüchtige Zoowärter geworden. Weil ihr mir so fleißig geholfen habt, sollt ihr auch eine Belohnung bekommen.«
    Die Kinder spitzten die Ohren. Der Onkel ließ sich viel Zeit mit seiner Pfeife, klopfte sie aus, reinigte und stopfte sie und tat behaglich den ersten Zug, ehe er fortfuhr: »Jeder von euch kann sich ein Tier mit nach Hause nehmen.«
    Das gab einen Jubel und eine Aufregung! Sie berieten hin und her, für welches Tier sie sich entscheiden sollten. Für Brigitte war die Frage schnell geklärt. Sie bat um eins der weißen Kaninchen, die ein seidenweiches Fell und rosa Augen hatten.
    Jan überlegte. »Vielleicht eine Schlange?«
    »Hu, nein«, rief Brigitte, »vor Schlangen hab’ ich Angst.«
    »Oder ein Chamäleon?« meinte Jan. »Das kann ich auch in die Schule mitnehmen.«
    »Wieso?« fragte Brigitte erstaunt.
    »Na, überleg mal. Der Lehrer wird es doch nie entdecken. Wo ich es hinsetze, paßt es sich der Umgebung an. Auf der Schulbank wird es braun und auf den Heften blau oder schwarz.«
    »Und wenn es sich auf dein kariertes Hemd setzt, wird es kariert?« fragte Peter.
    Diese Frage konnte selbst der Onkel nicht beantworten. »Was willst du denn mitnehmen, Peter?« fragte er.
    »Am liebsten den Elefanten«, murmelte Peter.
    »Für den ist unser Hühnerstall ein wenig zu klein«, meinte Oma.
    Peter nickte ernst. »Das hab’ ich mir auch schon gedacht.«
    Abends konnten Peter und Jan nicht einschlafen, weil sie immer daran denken mußten, welches Tier sie sich aussuchen sollten. Es war schon sehr spät, als Jan plötzlich aus dem Bett sprang. Jetzt wußte er, was er wollte; er mußte sofort den Onkel fragen, ob er es erlaubte. Leise schlich er durch das dunkle Haus. Er atmete auf, als er unter der Tür des Onkels noch Licht schimmern sah, und klopfte an.
    »Was ist los?« brummte der Onkel erstaunt.
    Jan schob sich durch die Tür. »Ich weiß es jetzt, Onkel Ludi!« rief er mit glänzenden Augen.
    »Na, was für eine großartige Idee ist es denn, derentwegen du einen alten Mann zu nachtschlafender Zeit stören mußt?«
    »Ach«, sagte Jan und sprang auf den Bettrand, »du schläfst ja noch gar nicht, und vielleicht hätte ich es sonst bis morgen vergessen. Kann ich — darf ich die Schildkröte Berta mit nach Haus nehmen?«
    Der Onkel legte die Zeitung beiseite. »Die Berta«, sagte er leise. »Weißt du, wir sind schon so lange zusammen, zwanzig Jahre. Es ist fast, als wenn wir ein bißchen miteinander verheiratet wären.«
    »Dann will ich sie dir natürlich nicht wegnehmen«, meinte Jan betrübt.
    Der Onkel wiegte den Kopf. »Andererseits — ich bin alt und werde sicher eher sterben als die Berta. Vielleicht ist es gut, wenn sie sich rechtzeitig an einen neuen Herrn gewöhnt. Sie kann uralt werden, wenn man sie richtig behandelt. Wenn du sie nicht richtig behandelst, schneide ich dir die Ohren ab! Im Winter hält sie ihren Winterschlaf, da braucht sie eine Kiste mit Sand, in den sie sich eingräbt. Du mußt sie aber von Zeit zu Zeit herausnehmen und ihr zu trinken und ein Bad geben, sonst verdurstet sie. Fressen tun Schildkröten am liebsten...«
    In diesem Augenblick ging die Tür auf und Oma erschien in einem lila Schlafrock und mit einem Häubchen auf dem Kopf. »Müßt ihr euch mitten in der Nacht über Tiere unterhalten?« fragte sie.

    »Wenn der Junge etwas wissen will, muß ich ihm Auskunft geben«, erwiderte der Onkel gereizt.
    »Ihr könnt euch am Tage genug unterhalten«, sagte Oma und zog Jan hinter sich her zur Tür hinaus. »Sie fressen am liebsten Salat!« rief der Onkel ihm noch nach.
    »Ich will doch später mal Zoodirektor werden«, brummte Jan auf dem Flur, »da muß ich viel von Onkel Ludi lernen.«
    »Ich dachte, du wolltest Cowboy werden«, entgegnete Oma.
    Jan wurde rot. Richtig, er hatte ja vorgehabt, zusammen mit Oma nach Amerika auszuwandern. »Ich weiß es noch nicht genau«, murmelte er.
    Erst als er im Bett lag, begriff er, daß der Onkel ihm Berta geschenkt hatte.

    Am anderen Tag gingen Jan und Brigitte vergnügt an ihre Arbeit. Peter dagegen lief ernst und nachdenklich zwischen den Käfigen herum. Lange betrachtete er seinen Elefanten, dann ging er zu den Seelöwen, schüttelte den Kopf, stand längere
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