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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel
Autoren: Carre
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anfangen kann. Aber wenn er selbst jemand angerufen hat, war es anders. In diesen Fällen waren nach Aussage von Mrs. Macarthur bis zum 1. August dieses Jahres Sie sein Hauptgesprächspartner. Allein im Mai und Juni hat der Doktor es mit Ihnen auf insgesamt sechs Stunden zwanzig Minuten gebracht.«
    Er schwieg, aber ich unterbrach ihn noch immer nicht. Ich hatte ein unmögliches Spiel gewagt und verloren. Ich hatte mich hin und her gewunden und gehofft, sie mit Halbwahrheiten abspeisen zu können. Aber gegen einen so gut geplanten Angriff hatte ich keine Verteidigung. Auf der Suche nach einem Sündenbock fiel mir die Firma ein. Wenn die Idioten in der Firma von Larrys Verschwinden wußten, warum zum Teufel hatten sie mich nicht vorgewarnt? Die mußten doch wissen, daß die Polizei nach ihm suchte. Warum also hatten sie das nicht unterbunden? Und wenn sie es nicht unterbinden konnten, warum ließen sie mich im Regen stehen und sagten mir nicht, wer was wußte und warum?
    * **
    Ich habe meine letzte Besprechung mit Jake Merriman, dem Leiter der Personalabteilung. Er sitzt in seinen mit Teppichen ausgelegten Räumen am Berkeley Square, zerknackt einen Rich-Tea-Keks und stöhnt über das Rad der Geschichte. Merriman spielt schon so lange den englischen Volltrottel, daß weder er noch sonst irgend jemand mehr weiß, ob er das nun wirklich auch ist oder nicht.
    »Ihre Arbeit getan, Tim, alter Junge«, klagt er mit seiner schleppenden, echolosen Stimme. »Für die Leidenschaft Ihrer Zeit gelebt. Was mehr kann man tun?«
    Ich sage, ja was wohl. Aber Merriman ist taub für Ironie, wenn es nicht die eigene ist.
    »Es war da, es war böse, Sie haben es ausspioniert, und jetzt ist es weg. Aber daß wir gewonnen haben, kann doch nicht heißen, daß der Kampf sinnlos gewesen ist, oder? Warum rufen wir nicht hurra, wir haben sie niedergemacht, der rote Hund ist tot und begraben, Zeit für die nächste Party.« Ihm gelingt ein leises belustigtes Wiehern. »Keine großartige Party. Was Bescheideneres.« Dann zerbricht er eine der Kekshälften noch einmal und tunkt die Spitze in seinen Kaffee.
    »Aber ich bin zu der neuen Party nicht eingeladen?« sage ich.
    Merriman spricht schlechte Nachrichten nie selber aus. Er zieht es vor, sie aus einem herauszukitzeln.
    »Ich glaube kaum, Tim«, stimmt er zu und dreht bedauernd den dicken Kopf zur Seite. »Fünfundzwanzig Jahre hinterlassen deutliche Spuren im Denken. Ich meine, es wäre viel besser für Sie, sich damit abzufinden, daß Sie Ihr Pensum geleistet haben und jetzt die Zeit gekommen ist, sich nach neuen Wirkungsfeldern umzusehen. Sie sind ja schließlich kein armer Mann. Sie besitzen ein schönes Anwesen auf dem Land und können von den Zinsen leben. Ihr verehrter Onkel Robert war so freundlich, das Zeitliche zu segnen, was wir von manch anderen reichen Onkeln selten behaupten können. Wenn das kein Grund zur Freude ist?«
    In der Firma heißt es, bei Merriman solle man eher aus Versehen selber kündigen als darauf warten, daß er einen an die Luft setzt.
    »Ich glaube nicht, daß ich zu alt bin, neue Aufgaben zu übernehmen«, sage ich.
    »Kalte Krieger von siebenundvierzig kann man nicht recyceln, Tim. Sie sind viel zu nett. Sie haben zu viele Rücksichten zu nehmen. Das werden Sie Pettifer doch sagen? Es ist am besten, wenn es von Ihnen kommt.«
    »Was genau soll ich ihm sagen?«
    »Nun ja, dasselbe, was ich Ihnen gesagt habe. Sie glauben doch nicht, daß wir ihn auf Terroristen ansetzen können? Wissen Sie, was der Mann mich kostet? Allein die Vorschüsse? Ganz zu schweigen von den Spesen, die geradezu lachhaft sind.«
    »Das weiß ich. Schließlich ist meine Sektion für seine Bezahlung zuständig.«
    »Nur frage ich Sie: wofür denn noch? Zum Henker damit, wenn ich jemand überreden will, daß er sich für mich in Bagdad irgendeiner Bande anschließt, dann brauche ich jeden Penny, den ich kriegen kann. Die Pettifers dieser Welt sind ausgestorben. Geben Sie’s zu, sage ich.«
    Zu spät, wie üblich, beginne ich die Geduld zu verlieren. »Das war nicht die Linie der Oberen Etage, als sein Fall zuletzt zur Debatte stand. Alle Seiten waren sich einig, daß wir abwarten sollten, ob Moskau sich eine neue Rolle für ihn ausdenkt.«
    »Wir haben gewartet, und die Zeit ist uns zu lang geworden.« Er schiebt mir einen Ausschnitt aus dem Guardian über den Schreibtisch hin. »Pettifer braucht ein Umfeld, sonst macht er Schwierigkeiten. Reden Sie mit der Abteilung Deaktivierung. Die
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