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Unheimlicher Horror: d. übernatürl. Grauen in d. Literatur ; Essay

Unheimlicher Horror: d. übernatürl. Grauen in d. Literatur ; Essay

Titel: Unheimlicher Horror: d. übernatürl. Grauen in d. Literatur ; Essay
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
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der sich im 17. Jahrhundert mit seiner Seele vom Teufel ein unnatürlich verlängertes Leben erkaufte. Wenn er einen anderen Menschen dazu überreden kann, ihm den Pakt abzukaufen und den Zustand anzunehmen, in dem er sich befindet, so kann er erlöst werden; doch dies gelingt ihm niemals, egal wie geschickt und eifrig er jene verfolgt, die Verzweiflung zu Verwegenheit und Raserei treibt. Die Geschichte ist ziemlich unbeholfen konstruiert; sie steckt voll von ermüdenden Längen, abschweifenden Episoden, Schachtelerzählungen, angestrengten Verknüpfungen und gewollten Übereinstimmungen; doch an verschiedenen Punkten in dem endlosen Schweifen spürt man einen kräftigen Puls schlagen, wie er in keinem früheren Werk dieser Art zu finden ist: eine Verwandtschaft mit der wesentlichen Wahrheit der menschlichen Natur, ein Wissen um die tiefsten Quellen der wirklichen kosmischen Angst, ein glühendes, leidenschaftliches Mitgefühl auf Seiten des
    Autors - dies alles macht das Buch zu einem wahren Dokument des ästhetischen Selbstausdrucks, nicht aber zu einem clever verfertigten Potpourri. Kein unvoreingenommener Leser kann bezweifeln, dass MELMOTH einen ungeheuren Schritt vorwärts in der Weiterentwicklung der Horrorliteratur darstellt. Die Angst wird aus dem Bereich des Alltäglichen hinausgehoben und zu einer grässlichen Wolke gesteigert, die über dem Schicksal der Menschheit schwebt. Maturins Schauder, das Werk eines Autors, der selbst zu schaudern fähig war, sind von der Art, die überzeugt. Mrs. Radcliffe und Lewis bieten den Parodisten leichtes Spiel, doch dürfte es schwierig sein, einen falschen Ton in der fieberhaft überhöhten Handlung und der hohen atmosphärischen Spannung des Iren zu finden, den weniger raffinierte Gefühle und sein Charakterzug des keltischen Mystizismus von Natur aus auf die allerfeinste Weise für seine Aufgabe ausgestattet haben. Ohne Zweifel ist Maturin ein Mann von authentischem Genius, und als solchen hat ihn auch Balzac anerkannt, der Melmoth zusammen mit Molieres Don Juan, Goethes Faust und Byrons Manfred den gleichen überragenden Rang als allegorische Figuren der modernen europäischen Literatur zusprach und selbst eine absonderliche Erzählung mit dem Titel »Melmoth reconcilie« verfasst hat; in dieser Geschichte gelingt es dem Wanderer, seinen infernalischen Pakt an einen Pariser Bankbetrüger weiterzugeben, der ihn wiederum weiterreicht an eine ganze Kette von Opfern, bis ein prassender Spieler mit dem Pakt in seinem Besitz stirbt; und mit seiner Verdammung endet der Fluch. Scott, Rossetti, Thackeray und Baudelaire sind weitere Titanen, die Maturin ihre uneingeschränkte Bewunderung schenkten, und es hat schon etwas zu bedeuten, dass Oscar Wilde nach seiner Entehrung im Exil seiner letzten Tage in Paris ausgerechnet den Namen »Sebastian Melmoth« annahm. MELMOTH enthält Szenen, die auch bis heute nichts von ihrer Kraft, Grauen zu erwecken, verloren haben. Am Anfang steht ein Totenbett: ein alter Geizhals liegt im Sterben, und es ist die schiere Angst vor etwas, das er gesehen hat, in Verbindung mit einer Handschrift, die er gelesen hat, und einem Familienporträt, das in einem dunklen Winkel seines jahrhundertealten Hauses in Wicklow County hängt, die ihn in den Tod treibt. Er schickt nach seinem Neffen John, der das Trinity College in Dublin besucht; und dieser nimmt bei seinem Eintreffen mehrere unheimliche Dinge wahr. Die Augen in dem Porträt glühen schrecklich, und zweimal erscheint für einen kurzen Moment in der Tür eine Gestalt, die auf sonderbare Weise dem Porträt gleicht. Grauen hängt über dem Haus der
    Melmoths, und das Porträt stellt einen der Ahnen dieser Familie dar: »J. Melmoth, 1646.« Der sterbende Geizhals erklärt, dass eben dieser Mann - die Zeit ist kurz vor 1800 - noch am Leben sei. Der Geizhals stirbt endlich, und dem Neffen wird testamentarisch aufgetragen, sowohl das Manuskript, das sich in einer bestimmten Lade befindet, wie auch das Porträt zu vernichten. Aus der Lektüre des Manuskriptes, das im späten 17. Jahrhundert von einem Engländer namens Stanton verfasst wurde, erfährt der junge John von einem schrecklichen Ereignis, das sich 1677 in Spanien zutrug, als der Verfasser einem schauderhaften Landsmann begegnete und erzählt bekam, wie dieser mit seinem starren Blick einen Priester getötet habe, der drohte, ihn als vom grässlichen Bösen durchdrungen bloßzustellen. Später, nachdem er dem Mann in London erneut begegnet, wird
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