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Unheimlicher Horror: d. übernatürl. Grauen in d. Literatur ; Essay

Unheimlicher Horror: d. übernatürl. Grauen in d. Literatur ; Essay

Titel: Unheimlicher Horror: d. übernatürl. Grauen in d. Literatur ; Essay
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
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doch oft in niedriger Verkleidung; die Gewohnheit, den Figuren hochgestochen klingende fremde Namen - zumeist italienische - zu geben; und schließlich das unerschöpfliche Arsenal an Requisiten, das seltsame Lichter, dumpfe Falltüren, verlöschende Lampen, verborgene moderne Handschriften, quietschende Türangeln, bebende Gobelins und dergleichen umfasst. Alle diese Elemente tauchen in der gesamten Geschichte des Schauerromans immer wieder mit belustigender Gleichförmigkeit, manchmal jedoch auch mit ungeheurer Wirkung auf; und sie sind sogar heute noch nicht ausgestorben, wenn sie auch durch raffiniertere Technik gezwungen sind, weniger naive und offensichtliche Form anzunehmen. Ein neues harmonisches Milieu für eine neue Schule war gefunden, und die schreibende Welt brauchte nicht lange, um die Gelegenheit zu ergreifen.
    Die deutsche Prosaromanze reagierte sofort auf den Einfluss Walpoles und wurde bald zum Inbegriff des Unheimlichen und Grausigen. In England gehörte zu den ersten Nachahmern die gefeierte Mrs. Barbauld, die, noch als Miss Aikin, 1773 ein unvollendetes Fragment unter dem Titel SIR BERTRAND veröffentlichte, in dem die Saiten des echten Schreckens wahrlich mit einer nicht ungeschickten Hand angeschlagen wurden. Ein Edelmann auf einem dunklen und einsamen Moor, angezogen vom Läuten einer Glocke und einem fernen Licht, betritt ein sonderbares altes, mit Türmen versehenes Schloss, dessen Tore sich öffnen und
    schließen, und dessen bläuliche Irrlichter geheimnisvolle Treppen hinaufgeleiten zu toten Händen und belebten schwarzen Statuen. Schließlich endet der Weg an einem Sarg, darin eine tote Frau liegt; Sir Bertrand küsst sie, und nach dem Kuss verflüchtigt sich die Szenerie, um einer prächtigen Wohnung Platz zu machen, wo die Frau, zum Leben erweckt, ein Bankett zu Ehren ihres Retters gibt. Walpole bewunderte diese Erzählung; weniger Achtung bekundete er jedoch einem noch berühmteren Abkömmling seines OTRANTO: dem 1777 veröffentlichten Roman THE OLD ENGLISH BARON von Clara Reeve. Es stimmt durchaus: dieser Geschichte fehlen die wahren Schwingungen, die vom Grundton des äußerst Dunklen und Mysteriösen ausgehen und die Mrs. Barbaulds Fragment auszeichnen; und wenn auch weniger plump als Walpoles Roman und künstlerisch sparsamer im Umgang mit dem Grauen, da nur eine einzige gespenstische Figur auftritt, ist das Werk doch entschieden zu abgeschmackt, um Größe zu erreichen. Hier haben wir wieder den tugendhaften, als Bauer verkleideten Erben eines Schlosses, der vom Geist seines Vaters wieder in sein Erbe eingesetzt wird; und hier haben wir wieder den Fall weiter Popularität, die zu vielen Auflagen und Ausgaben, zur Dramatisierung und letztendlich zur Übersetzung ins Französische führt. Miss Reeve schrieb einen weiteren unheimlichen Roman, der leider unveröffentlicht blieb und verschollen ist.
    Der Schauerroman hatte sich nun als literarische Form etabliert, und während sich das 18. Jahrhundert seinem Ende nähert, mehren sich die Beispiele dieser Gattung verwirrend. THE RECESS, geschrieben
    1785 von Mrs. Sophia Lee, besitzt das historische Element, wobei es um die Zwillingstöchter der schottischen Königin Maria Stuart geht; und obwohl es dem Roman am Übernatürlichen gebricht, werden Szenerie und Maschinerie ä la Walpole mit großem Geschick eingesetzt. Fünf Jahre später, und ein Stern neuer Ordnung geht auf, der alle übrigen Gestirne am Himmel der Schauerliteratur verblassen lässt: Mrs. Ann Radcliffe (1764-1823), deren berühmte Romane Schrecken und Spannung zur Mode machten, und die neue und höhere Maßstäbe auf dem Gebiet grauenhafter und furchteinflößender Atmosphäre setzte, trotz der ärgerlichen Angewohnheit, am Ende ihre eigenen Phantomgebilde durch forcierte mechanische Erklärungen zu vernichten. Dem vertrauten »gotischen« Zierat ihrer Vorläufer fügte Mrs. Radcliffe in Schauplatz und Handlung ein echtes Gefühl des Unirdischen hinzu, das der Genialität sehr nahe kam, da jeder Punkt der Szenerie und Handlung künstlerisch zu jenem Eindruck schrankenloser Schrecklichkeit beitrug, den sie zu vermitteln trachtete. Einige wenige finstere Einzelheiten wie die Blutspur auf der Schlosstreppe, ein Stöhnen aus einer fernen Gruft oder ein unheimliches Lied im nächtlichen Wald können bei ihr die gewaltigsten Bilder drohenden Unheils heraufbeschwören, und sie übertreffen bei weitem die überspannten und mühseligen Ausführungen anderer Autoren. Ebenso wenig
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