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Unheimliche Erscheinungsformen auf Omega XI

Unheimliche Erscheinungsformen auf Omega XI

Titel: Unheimliche Erscheinungsformen auf Omega XI
Autoren: Johanna und Günter Braun
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eine aufklappbare Karte seines Körpers mit genauen Daten überreicht, ich hätte mir unter Elektra überhaupt nichts vorgestellt. Wenn mir jemand etwas ganz konkret beschreibt, sehe ich nämlich vor lauter Konkretheit überhaupt nichts vor mir; aber abstrakte Beschreibungen, bei denen andere gä h nen, rufen bei mir immer konkrete Bilder hervor. Ich weiß auch nicht, wie ich das mache. Die abstrakte Beschreibung oder auch nur die Ne n nung eines verallgemeinernden Zeichens erscheinen meiner Phantasie wahrscheinlich so unerträglich, daß sie nicht anders kann, als gleich aus diesen Beschreibungen, diesen Zeichen, diesen Formeln etwas zu m a chen. Sagt einer zum Beispiel, die verstärkte Durchführung der Ernä h rung der Bevölkerung mit Vitamin A, sehe ich sofort leibhaftige Me n schen vor mir, die gebratene Leber mit Apfelringen und Zwiebeln e s sen. Ich rieche den Bratduft, und ich vergesse auch nicht zu sehen, wie sich die Leute nachher Leberreste aus den Zahnzwischenräumen st o chern. Vielleicht beneiden Sie mich um diese Vorstellungskraft, aber sie ist eigentlich eine große Behinderung. Denn in Wirklichkeit sieht es so aus, daß die Bevölkerung das Mehr an Vitamin A in Form von Pillen erhält, die durch Postwurfsendungen in die Briefkästen gelangen.
    Was meinen Kommandanten Elektra angeht, so hatten die mehr oder weniger abstrakten Beschreibungen von Elektras Charaktereigenscha f ten bei mir das phantastische Bild einer bösen alten Jungfer erzeugt. Ich wußte, daß sie fünfundzwanzig war, aber böse alte Jungfern gibt es auch schon mit sechzehn. Ich sah sie also knochig, spitznasig, gelbhä u tig und mit strengem verweisendem Blick, der bei einfältigeren Naturen sofort ein schlechtes Gewissen erzeugt, auf mich zukommen. Ich roch sogar ihre Seife, Leder mit Kölnischwasser, und ich schauderte vor i h rer Kleidung, irgendeinem undefinierbaren Gelumpe, das teuer und sehr dauerhaft war, zwölf Weltraumreisen Garantie, das tragen auch ihre Enkel noch nicht ab, und ich nahm mir vor, sie zunächst einmal umzuerziehen. Damit würde die Zeit schön hingehen.
    Wenn sie mich ankeifte, würde ich ihr erklären, daß man auch mel o discher singen kann. Ich würde sie vollkommen umfunktionieren. Das würde sie mir vielleicht noch danken. Die meisten Männer schrecken ja vor solchem Wesen zurück. Sie haben einfach nicht die Zeit, es umz u funktionieren. Sie sind ja auch nicht dazu gezwungen wie jemand, der Jahre mit einer bösen alten Jungfer in einer Raumkapsel zubringen soll.
    Meine Vorstellungskraft hatte mir wieder mal einen Streich gespielt. Mein Reiseleiter Elektra war nicht knochig, war lang und schlank wie eine Langstreckenläuferin, aber nicht wie eine auf Mann getrimmte. Sie bewegte sich weich und elegant, war auch nicht spitznasig und gelbhä u tig. Ich merkte gleich, sie hatte einen Hauch von »angel-face« aufg e sprüht. Dabei wäre es gar nicht nötig .gewesen, ihr Gesicht sah auch so sehr schön aus. Mir gefiel auch gleich ihr Duft; er lag in der Zitrone n richtung. Die Stimme keifte nicht, sie klang etwas tiefer als bei Frauen üblich, aber nicht so verräuchert wie die von Medea Twin.
    Die Stimme, dachte ich, kannst du jahrelang ertragen, die wird dir niemals auf die Nerven gehen; und ich stellte mir vor, wie sie Guten Morgen, Merkur und Gute Nacht, Merkur sagen würde, eine Stimme, die niemals überschnappte, niemals plötzlich schrie.
    Trotzdem war mir bei diesen positiven Entdeckungen an meinem Reiseleiter Elektra nicht wohl zumute. Sie war einfach zu schön, wie sie mir da entgegenkam in einem veilchenblauen Hausanzug, mit Silbe r schuhen, das silberblonde Haar engelhaft auf den Schultern. Bei dieser angenehmen Konkretheit stellten sich mir sofort wieder die Worte he r risch, Goldmedaillen, nur mit Auszeichnung, exakt, objektiv, überaus verläßlich ein.
    Mit einer bösen alten gelben Jungfer wäre ich fertig geworden, aber so wie diese Elektra auf mich zukam, mußte es sich sehr bald ergeben, daß ich mit ihr schlief, und nicht nur, um sie zu bändigen, sondern mit le b haftem Appetit. Er kam mir schon, ich hätte am liebsten ihr gleich me i ne Sympathie bekundet, aber ich stellte mir die lange Reise vor. Wenn es jetzt gleich am Anfang von Sympathie zwischen uns triefte, würden wir uns gegen Ende sehr zusammenreißen müssen, damit wir uns w o möglich nicht die Sauerstoffzufuhr abdrosselten.
    Ich habe ein unheimliches Gefühl, wenn gleich zu Anfang alles ha r monisch verläuft. Mir ist das
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