Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unheilvolle Minuten (German Edition)

Unheilvolle Minuten (German Edition)

Titel: Unheilvolle Minuten (German Edition)
Autoren: Robert Cormier
Vom Netzwerk:
Gefolgsleute ihm beim Erbrechen zu. Er stellte einen Fuß auf und sammelte seine Kräfte, mit zitternden Armen und Beinen. Von der Lache Erbrochenem auf dem Boden wandte er den Blick ab.
    Warum war es da unten so still?
    Die Hände gegen den Bauch gedrückt, torkelte er zur Treppe, suchte dabei Halt an der Wand. Er brauchte etwas zu trinken. Hatte einen Drink dringend nötig, wusste jedoch nicht, wie er den Alkohol hinunterbringen sollte, solange ihm der Geschmack von Erbrochenem noch in Mund und Kehle brannte.
    Auf halber Höhe der Treppe entdeckte er eine halb volle Flasche Wodka auf dem Treppenabsatz und kicherte. Wenn er nüchtern war, kicherte er nie, also musste er betrunken sein. Er hielt sich die Hand vor den Mund, um weiteres Kichern zu unterdrücken, und hob die Flasche auf. Unten war es immer noch still. Auch das Licht war aus. Er nahm einen kräftigen Zug aus der Flasche, schnitt eine Grimasse, als der Wodka ihm die Kehle hinunterschoss, und machte sich darauf gefasst, dass sich sein Magen umstülpte und die Übelkeit wiederkam. Stattdessen breitete sich in seinem ganzen Körper Wärme aus, so als badete er im strahlenden Glanz von etwas, das wunderbar weich und flaumig war.
    Er hörte einen Laut, ein Ächzen. Oder ein Keuchen. Das ließ sich nicht so recht ausmachen. Die Flasche in der Hand, stieg er die restlichen Stufen hinunter, blieb zögernd in der Eingangshalle stehen, kniff die Augen zusammen – und jetzt sah er, was im Hausflur vor sich ging.
    Harry Flowers hatte ein Mädchen vor sich. Sie stand an die Wand gedrückt, von Marty Sanders und Randy Pierce festgehalten. Die beiden pressten ihre Arme gegen die Wand, während Harry sie bumste. Oder doch nicht? Buddy wusste nicht, ob man so im Stehen bumsen konnte. Aber etwas tat er jedenfalls. Seine Hose und die gestreiften Shorts hingen in Kniehöhe, sein Hintern glänzte im Licht, das von der vorderen Veranda hereinfiel. Das Gesicht des Mädchens war im schattigen Dunkel teilweise verborgen, aber er sah ihre verzweifelten, vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen. Randys rechte Hand lag wie ein Saugnapf über ihrer Brust.
    »Lieber Himmel«, sagte Buddy. Die Worte brachen aus seinem Mund hervor, so wie vor wenigen Minuten im Obergeschoss die Kotze herausgeströmt war.
    »Ich komm als Nächster dran«, sagte Marty und grinste Buddy zu. Er war klein und drahtig und wog nur wenig über hundert Pfund, aber er hatte eine gewaltige Stimme, die wie ein Nebelhorn dröhnte. »Wart’s ab, bis du an der Reihe bist.«
    Das Mädchen sah ihn jetzt direkt an. Mit einem gequälten, flehenden Blick, und Buddy zog sich ins Dunkel zurück. Ihm war jetzt nicht mehr schlecht. Jetzt war überhaupt nichts mehr. So als wäre er von seinem Leben in ein anderes gestolpert, in eine gänzlich neue Existenz. Er blinzelte und drückte die Flasche an sich, wie man es mit einem Neugeborenen machte.
    »Lieber Himmel«, sagte er noch mal. Seine Stimme war ein Flüstern.
    Plötzlich heulte Randy vor Schmerz auf und das Mädchen wand sich aus seinem Griff. Eben noch an die Wand gedrückt und im nächsten Augenblick frei. Nicht wirklich frei, aber sie löste sich von ihren Peinigern, während Randy herumtanzte, sich die Hand an den Mund hielt und daran lutschte. »Sie hat mich gebissen!«, rief er fassungslos aus.
    »Du Miststück!«, schrie Harry. Er fiel hintenüber und stolperte über seine Hose und Unterhose, die ihm jetzt um die Knöchel hingen. »Schnappt sie euch«, befahl er mit gepresster, tödlicher Stimme. Niemand rührte sich, nicht einmal das Mädchen. Es war, als wären sie alle vom kahlen Blitzlicht einer Kamera eingefangen, wie ein Foto auf der ersten Seite einer Zeitung. Dann: Bewegung, ganz schnell, wie der Vorlauf auf einem Videorekorder. Randy lutschte an seiner Hand; Harry hüpfte jetzt seinen eigenen Tanz, während er sich die Hosen hochzog; Marty packte das Mädchen. Sie riss sich aus Martys Griff los, raffte ihre zerrissene Bluse über den Brüsten zusammen. Aber sie konnte nirgendshin und so rannte sie blindlings gegen die Wand. Harry, die Hosen jetzt wieder oben, stürzte auf sie los und schrie: »Miststück!«
    Buddy sah, dass das Mädchen gar nicht gegen die Wand gerannt war, sondern gegen eine Tür. Als Harry nach ihr packte, versuchte sie die Tür zu öffnen. So was Verrücktes: Sie versuchte, in einen Wandschrank zu entkommen. Sie bekam die Tür auf, und da sah er, dass es sich nicht um einen Wandschrank handelte, sondern um die Tür, die zum Keller
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher