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Unheil ueber Oxford

Unheil ueber Oxford

Titel: Unheil ueber Oxford
Autoren: Veronica Stallwood
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vorauszusehen. Fragen Sie sich nicht auch, wie der unvermeidliche Aufschub in diesem Jahr aussieht? Wahrscheinlich ist es ein ungezogener junger Mann, dunkel, gut gebaut und mit Rehaugen, nicht wahr?«
    »Tja«, sagte Emma. »Hm. Was ich Sie fragen wollte, Dr. Beeton: Könnten Sie seine Seminare übernehmen?«
    »Ich glaube kaum«, erklärte Faith.
    »Sind Sie nicht im Haus? Ist es das?«
    »Nein.« Sie überlegte, ob sie hinzufügen sollte, dass sie ihr Bad streichen wollte, und zwar in einem sanften Apricot. Der Vorbesitzer hatte kühles Grau bevorzugt. Plötzlich fiel ihr ein, dass sie auch ein grelles, mit Dunkelblau und Weiß abgesetztes Grün nehmen könnte. Toll! Ihr Vater hätte sich geschüttelt! Doch das würde sie Emma Dolby bestimmt nicht mitteilen.
    »Es wäre wirklich wichtig für das College.« Emmas Stimme wurde zuversichtlicher. »Der Workshop bringt eine Menge Geld ein.«
    »Nein«, sagte Faith. Sie wusste, was es für das Leben einer Frau bedeutete, in Situationen wie dieser ja zu sagen, und übte sich daher fleißig im Ablehnen.
    »Oh!« Emma gab sich offensichtlich geschlagen. »Nun gut, Dr. Beeton. Lassen wir es für heute dabei.«
    »Sie dürfen es endgültig dabei belassen«, versicherte Faith und hängte ein. Sie fand es herrlich, nach all den Jahren schrecklicher Fügsamkeit endlich einmal unhöflich sein zu dürfen.
    Während der nächsten zehn Minuten stöberte sie in Farbproben herum, bis sie endlich das grelle Grün fand, nach dem sie suchte. Das Telefon klingelte erneut.
    »Faith? Hier ist Timothy Happle.«
    »Ich dachte, du hast unabkömmlich in der Türkei zu tun!«
    »Ich reise morgen in aller Herrgottsfrühe ab.«
    »Dann wünsche ich dir einen netten Urlaub.« Sie hoffte, dass ihre Stimme so ungezwungen klang, wie sie beabsichtigt hatte.
    »Hör mal, Faith, ich weiß, es kommt ein bisschen plötzlich, aber du müsstest ein paar Semina re für den Workshop ›Geschlecht und Gattung‹ übernehmen.«
    »Ich habe bereits abgelehnt.«
    »Hast du einmal darüber nachgedacht, was das bedeutet? Für das College, meine ich. Aber auch für dich und deine Karriere.«
    Faith hatte Übung im Erkennen unterschwelliger Drohungen. Ihr Vater war ein wahrer Meister darin gewesen, und ihre Mutter hatte jedes Mal klein beigegeben. In diesem Moment verstand sie ihre Mutter. Timothy Happle war durchaus in der Lage, ihre Karriere positiv oder negativ zu beeinflussen. Sie hatte eine auf drei Jahre befristete Dozentenstelle im Bartlemas und keine Lust, das College in zwei Jahren mit weniger als mittelmäßigen Referenzen verlassen zu müssen. Genau genommen hatte sie überhaupt keine Lust, das College zu verlassen.
    »Welche Gattung soll ich denn übernehmen? Ich warne dich! Auf keinen Fall werde ich ein Buch auch nur aufklappen, das man als romantisch beschreiben könnte!«
    Am anderen Ende der Leitung entstand eine Pause. Sie hörte Papier rascheln. »Wie wäre es mit Kriminalromanen?«, fragte er. »Ich glaube, einige Werke aus der Literaturliste sind wirklich gut. Na ja, schließlich stammen die Autoren häufig aus Oxford und schreiben neben ihrem Hauptberuf.«
    Faith seufzte. In ein paar Wochen würde das Semester beginnen, und sie würde Studenten lehren. Darauf freute sie sich. Das letzte Jahr – ihr erstes an der Universität – war schwere Arbeit gewesen. Doch inzwischen hatte sie sich daran gewöhnt und kannte sich auch mit den Materialien besser aus. Das Letzte, was sie sich wünschte, war eine Lehrtätigkeit bei den Sommer-Workshops.
    »Na gut«, gab sie sich geschlagen. »Am besten gibst du mir die Literaturliste und die zu behandelnden Themen gleich jetzt am Telefon durch, damit ich sofort mit den Vorbereitungen anfangen kann. Wann kommst du übrigens aus der Türkei zurück?«
    »In zweieinhalb Wochen. Ich werde noch ausreichend Zeit haben, deine Vorlesungen und Seminare zu überfliegen und dir zu helfen, falls du irgendwelche Probleme haben solltest.«
    »Wie nett von dir«, sagte Faith. Sie wusste sehr gut, dass sich auch hinter diesem Angebot der Hinweis verbarg, möglichst keine Probleme aufkommen zu lassen.
    »Dann kann ich also Emma Dolby sagen, dass du übernimmst«, resümierte er, und es klang so, als ob er nun endlich den letzten Koffer schließen und das Taxi zum Flughafen rufen könne. »Sie wird dich über alle Details informieren.«
    »Gerne«, log Faith. Wart’s nur ab, Timothy Happle, dachte sie. Eines Tages werde ich auf dem Weg zur Spitze über dich hinwegtrampeln,
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