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Ungeheuer

Ungeheuer

Titel: Ungeheuer
Autoren: Claudia Puhlfürst
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schillerten verschiedene Organe. Träge pulsierte in der Mitte der geschlängelte Darm. Es war seltsam. Das Objekt seiner Studien war tot, aber manche Organe schienen trotzdem noch zu funktionieren.
    Er drängte die Finger zwischen die Schlingen und tastete nach festeren Strukturen.
    Die Rippen bildeten unter den Brüsten ein nach unten offenes »V«. Der Mann hatte nicht vor, Knochen zu zerteilen. Das war auch gar nicht nötig. Es reichte, wenn er das Zwerchfell durchtrennte. Zart streichelte das Skalpell über die feste Bindegewebsschicht. Die Ränder zogen sich von allein auseinander, wie ein Vorhang im Theater.
    Langsam schoben sich seine Fingerspitzen unter die knöchernen Käfigstangen, tasteten und drückten. Dem geöffneten Leib entströmte metallischer Blutgeruch. Unangenehm.
    Noch einmal drehte und wendete er den Gedanken, dass Gerüche in seinen Vorstellungen überhaupt nicht vorgekommen waren. Man konnte sich noch so viel ausmalen, vor Überraschungen war man nie gefeit.
     
    Das erste Objekt glitt mit leisem Platschen in eins der Schraubgläser. Vorsichtig spritzte der Mann bis fast an den oberen Rand Brennspiritus darüber und berauschte sich an dem klinischen Duft des Alkohols. Der Deckel saugte sich
nach zwei Umdrehungen fest, und das »Kompott« landete auf dem Damasttuch.
    Nummer zwei war schon schwieriger. Das Skalpell kam erneut zum Einsatz. En Eichelhäher krächzte, während milder Wind die Baumwipfel streichelte. Weiter oben ahmte die hämisch grinsende Mondsichel die geschwungen klaffende Öffnung im zartgrünen Leib nach. Die Rechte führte das scharfe Messer, während die Linke die Schenkel der Pinzette zusammenpresste. Mit einem letzten Schwung trennte sich das dunklere Hautstück von der hellen Fläche und wurde von den Pinzettenspitzen in den gläsernen Behälter befördert. Wieder züngelte Spiritusgeruch herauf. Wieder quietschte der Deckel beim Drehen.
    Das Ganze wiederholte sich noch dreimal, dann war der Mann fertig und begann, die Instrumente zu säubern. Er wischte die Gläser mit dem Tischtuch ab, verstaute eins nach dem anderen in raschelnden Plastiktüten, die er oben zuband, damit nichts herauslaufen konnte, und stellte sie dann vorsichtig nebeneinander auf den Boden des Rucksacks.
    Das Damasttuch rollte sich wie von selbst um die Instrumente. Gründlich säubern konnte man die Werkzeuge daheim. Nachdem alles an seinem Platz im Tornister verstaut war, hängte der Mann ihn an einen Ast und begann, den Platz rund um die Leiche abzugehen, die Augen sorgfältig auf den Boden gerichtet. Eigentlich dürften keinerlei Spuren zurückgeblieben sein – sein Körper war komplett in undurchlässigen Gummi gehüllt, die Utensilien befanden sich im Rucksack –, aber es konnte nicht schaden, vorsichtig zu sein.
    Ab und zu blieb sein Blick an dem fluoreszierenden Leib mit dem klaffenden Maul in der Mitte hängen, während er seine Pläne überdachte. Niemand würde den Kadaver mit ihm in Verbindung bringen können, da das Wild willkürlich
ausgewählt worden war und es somit keine Beziehung zwischen Täter und Opfer gab. Deshalb musste man die Leiche auch nicht vergraben, zerteilen oder anderweitig entsorgen. Sie würde einfach hier, mitten im Wald bleiben, notdürftig mit Ästen und Laub bedeckt. Sicher wäre es besser, wenn man sie nicht sofort fand, aber letztendlich war auch das egal.
    Der Geruch würde Tiere anlocken, kleine und größere Fleischfresser, die sich über das weiche Gewebe hermachen und so die Spuren seiner Sektion beseitigen würden.
    Der Mann umrundete das, was von der einstmals hübschen Frau übrig geblieben war, ein letztes Mal und befand, dass es gut sei. Der Platz war sauber, sein Plan wies keine Mängel auf. Er machte sich auf, Äste herbeizuschaffen und die kalkige Haut damit zu bedecken. Über das Bett aus Zweigen und Laub streute er nadelige Walderde, bis ein dunkler Buckel entstanden war.
    Nicht, dass dies viel Sinn gehabt hätte, die Aasfresser würden das »Leichentuch« schnell beiseitescharren, aber es würde den doch sehr weißen Leib wenigstens einige Zeit vor allzu neugierigen Blicken verbergen.
     
    Zeit, sich zu verabschieden.
    Der Mann stellte sich vor den neu entstandenen Hügel, verbeugte sich mit vor der Brust gekreuzten Armen und sprach einen Dank an die Frau, dass sie ihm willfährige Jagdbeute gewesen war und Teile ihres Körpers für seine Studien bereitgestellt hatte.
    Noch würde niemand sie vermissen. In der Zwischenzeit hatte er
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