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Ungeheuer

Ungeheuer

Titel: Ungeheuer
Autoren: Claudia Puhlfürst
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schöne Frau?«
     
    Quiekendes Schreien schrillte durch das Geäst und brach sich an den Baumkronen. Dabei hatte er so lange an diesem ersten Satz gefeilt. Die Frau jedoch war gar nicht in der Lage, den Sinn der Worte zu erfassen. Unbeherrscht kreischend fuchtelte sie mit den Armen vor ihrem Gesicht herum, die Augen groß wie Untertassen. Er war einen Schritt zurückgetreten und beobachtete das Gezappel amüsiert. Was für eine sinnlose Verschwendung von Energie!
    Wieder streckte der Mann den Arm aus. Dieses Mal hielt er ihre Schulter fest und drückte Daumen und Zeigefinger in den Kapuzenmuskel zwischen Schulterblatt und Schlüsselbein. Die Schmerzen, die dabei entstanden, brachten jeden zur Räson. Ihre Haut war feucht, und die Latexfinger rutschten. »Nicht so laut, Schönste, sonst werden Sie noch heiser!« Er gestattete sich ein feines Kichern. Als ob das noch eine Rolle gespielt hätte!
    Sie hörte noch immer nicht zu, und so drückte er fester, nahm die zweite Hand zu Hilfe und schüttelte die Frau ein bisschen. Das brachte sie zur Besinnung. Sie verstummte, kniff die Augen zusammen und drehte den Kopf nach rechts und links, um zu sehen, wer gesprochen hatte, konnte aber in der Finsternis nur Umrisse erkennen.
    »Also hör mir zu, Schönste.« Der Mann fühlte, wie ihre Rückenmuskeln sich unter seinen Fingern verkrampften. »Ich weiß nicht, was du mitten in der Nacht in meinem Wald willst, aber ich gebe dir zehn Minuten, um zu verschwinden.
Wenn du dann nicht weg bist, wird es dir leidtun.« Blödes Geschwätz, sicherlich. Aber er hatte Lust, ihr noch ein bisschen hinterherzuschleichen und ihre Furcht wachsen zu sehen. Es war ein Spiel. So wie eine Katze stundenlang vor dem Mauseloch sitzen konnte, um die gefangene Maus dann scheinbar entkommen zu lassen, nur um sie bald darauf wieder zu fangen; so wollte er, dass die Frau noch ein wenig durch das Dickicht wankte, in der irrsinnigen Hoffnung, die Katze würde dieses einzige Mal ein Einsehen haben.
    »Also? Die Uhr läuft. Zehn Minuten ab jetzt.« Er ließ ihre Schultern los und trat ein paar Schritte zurück. Würde sie ihm glauben? Aber wahrscheinlich klammerte sich das dumme Ding an jeden noch so kurzen Strohhalm.
     
    Und schon stürzte sie davon. Der Mann blieb stehen und genoss seine wachsende Erregung. En trockener Fichtenast peitschte in das Gesicht der Frau, und sie schrie leise, während ihre Füße sich bei dem Versuch, dem Schlag auszuweichen, grotesk verdrehten. Dann hetzte sie nach rechts, die Arme gerade ausgestreckt. Der schwarze Mann machte sich auf, der Flüchtenden zu folgen, und bewunderte das Spiel ihrer Muskeln im Schein des Nachtsichtgeräts. Nicht mehr lange, und sie würde bleich und kalt auf dem Bett aus Laub und Nadeln liegen, die Augen sanft geschlossen, die Glieder locker gestreckt.
    Jetzt blieb sein Rehlein stehen und sah sich um. Hechelnder Atem rasselte von den rauen Stämmen zu ihm herüber. Vor ihr lag eine Schonung, und er war gespannt, ob sie versuchen würde, sich mitten hindurchzukämpfen, oder einen Weg außen herum bevorzugte. Seiner Einschätzung nach war die Frau so verstört, dass sie keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte, was für »mittendurch« sprach.

    Da er keine richtige Lust verspürte, ihr durch das Dickicht eng stehender junger Bäume mit ihrer kratzigen Rinde und ihren stachligen Nadeln zu folgen, beschloss er, der Jagd ein Ende zu bereiten. Der Strick war am Rucksack befestigt, schnell hatte der Mann ihn sich ums Handgelenk geschlungen. Langsam näherte er sich der Beute. Das Wild stand noch immer wie erstarrt und zuckte unentschlossen nach rechts und dann wieder nach links. Es hörte ihn nicht herankommen.
     
    Als er ihr die Schlinge über den Kopf warf, schrie sie laut auf und warf sich nach vorn. Der Strick in seiner Hand straffte sich mit einem heftigen Ruck, und die Frau ging zu Boden. Auf dem Bauch liegend, versuchte sie davonzukriechen, aber er hielt das Seil fest gespannt, und so brachte sie nichts anderes als ein panisches Zucken ihrer Beine und Arme zustande. Es sah ein bisschen aus wie Trockenschwimmen.
    Allmählich wurde es Zeit, der Farce von Katz und Maus ein Ende zu bereiten. Für seine nächsten Aktionen durfte sie nicht zappeln. Und er hatte auch keine Lust mehr, sich mit der wimmernden Person zu unterhalten.
    Der Mann stellte sich breitbeinig über den Rücken der Frau und zog an dem Strick. Das Seil zog sich fester um den Hals der Frau und wickelte sich wie von selbst um seine
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