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Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)

Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)

Titel: Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)
Autoren: Cynthia Hand
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Inhaltsübersicht]
    Epilog
    «Guckt doch nur, guckt doch nur», ruft Web aufgeregt, der auf Midas reitet, während Tucker das Pferd auf der Weide herumführt.
    Auf der Veranda, wo ich mit Angela sitze und Limonade trinke, hebe ich die Hand und winke. Jedes Mal, wenn ich diesen Jungen sehe, ist er gut dreißig Zentimeter gewachsen, obwohl er klein ist für einen Neunjährigen. Und immer plappert er einem die Ohren voll (in dem Punkt kommt er nach seiner Mutter), immer grinst er, und seine schelmischen goldfarbenen Augen blitzen unter seiner Mähne aus widerspenstigem blauschwarzem Haar hervor. Wir sehen ihm zu, und er gibt Midas einen sachten Tritt, damit er schneller geht, sodass Tucker neben ihnen herlaufen muss, um Schritt zu halten.
    «Wirst du wohl vorsichtig sein!», ruft Angela und meint damit eher Tucker als ihren Sohn.
    Tucker nickt, verdreht die Augen, tätschelt Midas am Hals und lässt ihn langsamer gehen. Als ob ein Sturz vom Pferd diesem unzerstörbaren kleinen Jungen etwas anderes anhaben könnte, als ihn bloß kurz zu erschrecken.
    «Das ist ja fast schon Elternparanoia, was du da an den Tag legst, weißt du das?», ziehe ich sie auf.
    Sie schnaubt verächtlich, hebt die Arme über den Kopf und reckt sich. Wenn ich ganz genau hinschaue, erkenne ich an ihrem rechten Arm noch ein paar schwache Spuren der Tätowierungen. Sie fingen in dem Moment an zu verblassen, als sie Web wieder in den Armen hielt – als wasche seine Liebe sie wieder sauber, sagt sie immer.
    Trotzdem frage ich mich, ob die Schriftzüge je völlig verschwinden werden.
    «Ich glaube, ich folge eher dem Prinzip Erziehung durch Zuneigung», erwidert sie.
    «Natürlich. Wie du meinst.»
    In ein paar Stunden wird die ganze laute Bande zum Abendessen um den großen Tisch der Averys im Farmhaus versammelt sein: Tuckers Eltern, Wendy und Dan und die kleine Gracie, Angela und Web aus Chicago und vielleicht Jeffrey. Wir werden alle essen und lachen und uns über die Neuigkeiten und die diversen Jobs der Anwesenden unterhalten, und ich werde mit Sicherheit einiges an Kritik einstecken müssen, hauptsächlich von Angela, weil ich in Stanford mein schickes Examen in Medizin gemacht habe, nur um dann hier als Hausärztin auf dem Land zu enden. Ich werde Witze machen über das gute Wetter in Wyoming und darüber, dass ich es nicht ertragen könnte, von hier wegzugehen. Tucker wird mich unter dem Tisch ins Knie zwicken. Und ich werde ein kurzes Gefühl von Gemeinsamkeit bekommen, davon, dass alles so ist, wie es sein sollte. Aber ich werde auch eine Abwesenheit spüren, als gäbe es einen leeren Stuhl am Tisch. In dem Moment wird sich das Gespräch unweigerlich Christian zuwenden, als ob die Tatsache, dass ich an ihn denke, auch alle anderen an ihn denken lässt, und Angela wird uns von den Gebäuden erzählen, die er gebaut hat, und Web wird von dem letzten Abenteuer schwärmen, das die beiden erlebt haben: im Lincoln Park Zoo oder im Kindermuseum von Chicago oder im Observatorium im vierundneunzigsten Stock des John Hancock Centers. Und dann wird sich das Gespräch anderen Themen zuwenden, und ich werde mich wieder normal fühlen. Ich werde mich richtig fühlen.
    Angela erzählt immer noch von verschiedenen Erziehungsstilen, redet über etwas namens Liebe und Logik. Sie bietet an, mir ihre Bücher darüber zu leihen, und ich lächle und sage, dass ich sie mir mal ansehen würde. Ich setze meine Limonade ab und stehe auf, trete von der Veranda herunter und gehe auf die Weide zu, durch den Schatten der großen roten Scheune, der Himmel über mir ist leer und blau.
    «Sieh her, sieh her, Clara», sagt Web wieder, als er mich entdeckt. Nach dem Abendessen werde ich ihn zum Fliegen mitnehmen, denke ich, wenn Angela es zulässt. Ich höre ihn kichern, als Tucker das Pferd am Zaun entlangführt, und ich muss lächeln. Ich nehme mir einen Moment Zeit, Tucker von hinten zu betrachten, die Art, wie er sich mit dieser ulkigen Anmut eines Cowboys bewegt, den Sitz seiner Jeans.
    «Hallo, mein Held», sage ich zu Tucker.
    Er beugt sich über den Zaun zu mir herüber, nimmt mein Gesicht in seine Hände, der schlichte Goldreif an seinem Finger liegt kühl an meiner Wange. Dann tritt er zurück, senkt den Kopf einen Moment, die Augen hat er auf die Art geschlossen, mit der ich über die Jahre so vertraut geworden bin. Ich lege ihm die Hand auf die Schulter.
    «Alles in Ordnung mit dir? Wieder eine Vision?», frage ich.
    Er schaut zu mir auf, grinst. «Ja, ich habe
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