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Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Titel: Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)
Autoren: Cynthia Hand
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mich aufs Bett und starre mit weit aufgerissenen, ausgetrockneten Augen an die kahle Decke, und es fühlt sich an, als wollte der Schmerz mir ein tief klaffendes Loch in die Brust reißen.
    «Es tut mir leid», keuche ich, obwohl ich keine Ahnung habe, bei wem ich mich entschuldige, bei Jeffrey oder bei meiner Mutter, die so sehr an mich geglaubt hat, oder vielleicht sogar bei Gott. Ich weiß nur, dass es meine Schuld ist und es mir leidtut.
    Quäl dich nicht so , sagt Christian in meinem Kopf. Ich setze mich auf und schaue zum Fenster, und natürlich sitzt er da, an seiner üblichen Stelle.
    Deine Aufgabe habe ich auch vermasselt , erinnere ich ihn.
    Er schüttelt den Kopf. Nein, hast du nicht. Du hast die Dinge einfach nur verändert.
    Ich gehe zum Fenster, ich mache es auf und steige hinaus in die kühle Nachtluft. Es fühlt sich inzwischen wie Sommer an, die Nacht hat sich verändert, so wie sie jetzt riecht.
    «Du musst aus meinem Kopf wegbleiben», sage ich, als ich mich umständlich neben Christian hocke. Ich trage immer noch die guten schwarzen Pumps meiner Mutter. Die Zehen tun mir weh. «Das kann nicht sehr spaßig für dich sein, wenn du immer meine tiefen, düsteren Geheimnisse erfährst.»
    Er zuckt mit den Schultern. «So düster sind die gar nicht.»
    Ernst sehe ich ihn an. «Mein Leben ist doch die reinste Seifenoper.»
    «Eine Seifenoper, die richtig, richtig süchtig macht», sagt er. Dann legt er mir den Arm um die Schultern und zieht mich zu sich heran. Und ich lasse es zu. Ich schließe die Augen.
    «Wieso willst du mich, Christian? Ich bin doch hoffnungslos verkorkst.»
    «Wir sind alle verkorkst. Und du siehst so süß aus beim Verkorkstsein.»
    «Hör auf.»
    Im Nacken spüre ich die Hitze, da wo sein Atem mich streift und die wenigen Haarsträhnen aufwirbelt, die sich aus meinem Zopf lösen konnten. «Danke», sage ich. Wir sitzen eine Weile da, ohne zu reden. Ein Käuzchen schreit in der Ferne. Und auf einmal, wie durch ein Wunder, spüre ich Tränen in den Augen.
    «Ich vermisse meine Mama», würge ich hervor.
    Der Griff von Christians Arm um meine Schultern wird fester. Ich lehne mich an ihn und weine und weine, mein ganzer Körper zittert mit meinen Schluchzern. Es ist eine von diesen lauten, unattraktiven Schluchzorgien, bei denen einem die Nase läuft und die Augen riesig anschwellen und das Gesicht zu dieser schmuddeligen rosafarbenen Sumpflandschaft wird, aber das ist mir egal. Christian hält mich, und ich weine. Der Schmerz ergießt sich auf sein T-Shirt, und ich fühle mich danach leer, aber diesmal ist es eine gute Leere, so als hätte ich versucht, mich zum Fliegen leicht zu machen.

[zur Inhaltsübersicht]
    Hoch gelegene Regionen
    Zur Abschlussfeier müssen die Mädchen weiße Talare tragen, die Jungs schwarze. Als die Kapelle Pomp and Circumstance spielt, marschieren wir jeweils zu zweit in die Sporthalle der Jackson Hole Highschool ein, die bis auf den letzten Platz gefüllt ist mit durcheinanderredenden, jubelnden, hektisch Fotos machenden Freunden und Verwandten. Es ist hart, zu den Rängen hochzuschauen und Mama nicht zu sehen. Nicht einmal Jeffrey. Einen Tag nach ihrem ersten Besuch war nämlich die Polizei wieder bei uns zu Hause, um ihn zu befragen. Diesmal hatten sie sogar einen Durchsuchungsbeschluss dabei. Aber er war nicht da. In seinem Zimmer stellten wir nur fest, dass etliche Kleidungsstücke und ein paar Toilettenartikel fehlten – dabei hatte ich die Lüge geglaubt, die er mir aufgetischt hatte, als ich ihn an dem Abend packen sah –, und an seinem Fenster klebte ein gelber Post-it-Zettel.
    Sucht mich nicht , stand da.
    Er hat nicht einmal seinen Truck genommen. Tagelang haben wir hektisch nach ihm gesucht, aber keine Spur von ihm gefunden, und wir haben keine Ahnung, wohin er gegangen sein könnte. Er ist einfach verschwunden.
    Unter den Zuschauern entdecke ich Papa neben Billy. Er macht das Daumen-hoch-Zeichen. Ich lächle, gebe mir Mühe, fröhlich auszusehen. Ich habe jetzt schließlich meinen Highschool-Abschluss. Das ist doch schon was.
    Wenn im Film jemand gestorben ist, gibt es immer eine Szene, in der die Hauptfigur am Kleiderschrank des Gestorbenen steht und mit den Fingern über den Ärmel des Lieblingskleids fährt – das Kleid, mit dem sie die Erinnerung an so viele glückliche Momente verbindet. Genau das habe ich heute Morgen gemacht. Ich bin zu Mamas Kleiderschrank gegangen, weil ich mir das weiße Kleid mit den Ösen nehmen wollte, das sie
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