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Undercover

Undercover

Titel: Undercover
Autoren: Lena Falkenhagen
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anhieven zu können. In der Mitte des Stollens führten Gleise in den Berg, auf denen man mit kleinen, automatisierten Loren Erzabraum und Passagiere transportieren konnte. Staub und Geröll waren allgegenwärtig.
    »Aber findet hier heute Nacht nicht die Crave3200-Party statt?« Ich griff an meine Seite und zog mit einem Daumen eine Handschelle vor, die ich immer am Gürtel trug. Eigentlich besaß ich sie tatsächlich dafür, lästige Gegner fixieren zu können, aber ich hoffte, der Mann käme durch meinen gar nicht so kindlich-unschuldigen Augenaufschlag auf andere Gedanken. Umso weniger würde er sich an seine Vorschriften halten.
    »Bestimmt nicht, Miss«, stotterte er. »Wir achten hier sehr auf Unbefugte.« Er fasste sich, runzelte die Stirn und nahm mich beim Oberarm. »Kommen Sie, wir bringen Sie jetzt besser wieder nach oben.«
    »Okay«, sagte ich munter.
    Dann drehte ich den Unterarm hoch und schlug ihm die Rückseite meiner Faust ins Gesicht.
    Etwas knackte - ich konnte nicht unterscheiden, ob es der Respirator oder ein Knochen gewesen war -, und der Mann hielt sich fluchend die Nase. Er taumelte rückwärts, das Licht seiner SpotLite zuckte wild über die Felswände. Dabei stolperte er über die Gleise nach hinten und fiel auf sein bestes Stück - damit meine ich natürlich das Hinterteil. Der zweite Griff ging an seine Seite, zum Holster.
    Doch so weit ließ ich es nicht kommen.
    Ich setzte nach und trat ihm ins Gesicht, um ihn am Boden zu halten, so dass der Respirator ganz vom Kopf rutschte.
    »Verdammt!«, schnaufte der Mann. Er schien begriffen zu haben, dass er es hier nicht mit einer zugedröhnten Punkerin zu tun hatte, denn die Linke fuhr zu dem Funkgerät an seinem Ohr, die Rechte löste die Lasche des Holsters. Jetzt wurde es ernst. Bestimmt hatte er hier unten ebenfalls Funk über Relais. Wenn er Verstärkung rief, war meine Mission gescheitert, bevor sie richtig begonnen hatte. Und dann würde ich einen Riesenärger mit meinem Chef bekommen.
    Noch im Liegen zog er seine Waffe und legte auf mich an. Ich reagierte bloß und sprang ihn an, denn bei den Dämpfen hier unten konnte ein Schuss uns beide das Leben kosten. Ich riss seinen Waffenarm beiseite, doch er zog bereits den Abzug durch.
    Aber nur ein peitschendes Knacken erklang, das eher an eine Spielzeugwaffe erinnerte. Offenbar handelte es sich um eine MarkVIII von United Industries, ein elektromagnetisches Modell ohne Zündung.
    Glück gehabt.
    »Heiliger Apollo.« Offenbar stellte United doch nicht nur Deppen zur Bewachung der Stollen ab. Er hatte die Waffe gegriffen, doch ich drückte sein Handgelenk mit beiden Armen herunter und stemmte mich mit vollem Gewicht darauf. Dem Wachmann gelang es trotzdem, langsam den Arm zu heben.
    Ich verfluchte die Tatsache, dass ich ob meines Jobs und der ruhigen Hand, die man für die Verwendung von explosiven Substanzen teilweise benötigte, nie für Cyber- oder Chemo-Projekte in Betracht gezogen worden war wie meine Kollegen. Ich kann Sprengstoffe spüren - fragen Sie mich nicht, wie -, kenne ihre Zusammensetzung und weiß automatisch, was sie bewirken. Nebenbei kann ich sie in einem Radius von ein paar Dutzend Metern auch mit Gedankenkraft zur Detonation bringen. Leider kann ich eine einmal aktivierte Bombe nicht abschalten oder eine Detonation verhindern, so sehr ich mir das manchmal wünschen würde.
    Ja, ich bin psionisch begabt. Sie haben bestimmt auch Charakterfehler, die Sie lieber verbergen würden, oder?
    Das alles half mir momentan aber überhaupt nicht dagegen, dass sich die Mündung der Waffe gerade Stück für Stück meinem Gesicht näherte. Denn obwohl die MarkVIII bloß eine hochtechnologisierte Steinschleuder war, konnte sie im menschlichen Körper doch recht traditionelle Löcher verursachen. Meine Hände begannen unter der Anstrengung zu zittern.
    Verdammt - der Mann war viel, viel stärker als ich. Also ließ ich mit einer Hand los, zog die fingerlange Klinge aus der Scheide am Hosenbund und stieß sie ihm mit einer schnellen Bewegung seitlich in die Kehle. Blut sprudelte über meine Finger, und ich entrang ihm jetzt mühelos die Waffe.
    Er starrte mich an, griff mit der freien Linken nach meinem Gesicht und kratzte über meine Wange. Dabei blieb er am Riemen meiner Respiratormaske hängen und riss ihn ab.
    Schließlich begann sein Körper zu beben, bevor er tot zu Boden sank. Eine Weile blieb ich noch keuchend im Halbdunkel der SpotLite sitzen, bis mich mein Funkgerät aufschreckte.
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