Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Undercover

Undercover

Titel: Undercover
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
ich dir das einfach so verraten hätte, wärst du misstrauisch geworden. Deshalb musste ich mir etwas Größeres ausdenken. Es sollte so aussehen, als hätte ich keine andere Wahl, als ihre Identität preiszugeben und dir zu befehlen, sie bloß in Ruhe zu lassen.«
    Die beiden sehen sich länger in die Augen.
    »Es tut mir leid«, sagt Stump.
    »Und weshalb diese Party hier?«, fragt Win in den Raum. »Warum sind wir alle hier? Denn um Janie Brolin geht’s hier bestimmt nicht. Und auch nicht um Cal Tradd.«
    »Die einfachste Antwort ist wohl, dass wir wegen Ihrer Staatsanwältin hier sind«, sagt Killien zu Lamont. »Rumänische Waisenkinder. Gewaltige Geldsummen. Was Sie auffällig machte und die Aufmerksamkeit des FBI und des Heimatschutzes erregte. Und letztlich leider auch die von Scotland Yard.«
    »Eigentlich sollte ich jedem Einzelnen von Ihnen ein Gerichtsverfahren anhängen«, sagt Lamont.
    McClure erwidert: »Ihre elektronische Kommunikation mit …«
    »Mit Cal Tradd.« Lamont übernimmt die Rolle, die niemand besser spielt als sie. Ganz die Staatsanwältin. »Ermittler Garano hat doch wohl klargemacht, womit wir uns beschäftigen, seit diese Banküberfälle und Kupferdiebstähle hier in Middlesex County begonnen haben. Zu unserer verdeckten Ermittlung gehört auch die Kommunikation mit Cal Tradd, der, vorsichtig ausgedrückt, von Interesse für uns war.«
    »Wussten Sie, dass sie Mailverkehr mit Cal Tradd hatte?«, fragt Stump die FBI-Agentin McClure.
    »Nein. Wir wussten nicht, mit wem sie sich per Mail austauschte. Die IP-Adresse war von Harvard. Ein Maschinencode hilft einem erst, wenn man die Maschine hat, mit der man ihn vergleichen kann …«
    »Ich weiß, wie das geht.« Dieser Blick von Stump!
    Wahrscheinlich mochte sie McClure lieber, als sie noch Raggedy Ann war.
    »Die letzte E-Mail, in der stand, Sie wollten diese Person treffen …«, setzt McClure an.
    »Cal Tradd«, sagt Lamont. »Ihn um zehn an der gleichen Stelle treffen. Nämlich hier.«
    »Er ist nicht gekommen«, bemerkt Killien.
    »Hat wahrscheinlich gesehen, wie die Polizei in der Ferne aufzog, und sich verdrückt«, wirft Win ein. »Der Junge hat viel Erfahrung im Auf-der-Lauer-Liegen. Hat ein Radar für Cops. Ihr seid hier also aufgetaucht und habt alles kaputt gemacht, was Monique und ich in den letzten Monaten aufgebaut haben. Das ist das Problem, wenn man elektronische Kommunikation überwacht, nicht wahr? Besonders wenn man undercover ist und jemand anders überwacht, der ebenfalls undercover ist. Eine verdeckte Ermittlung untersucht etwas, das sich ebenfalls als verdeckte Ermittlung entpuppt, und am Schluss ist alles aufgedeckt, aber nichts ermittelt.«
     
    Zwei Tage später, abends im Harvard Faculty Club.
    Backsteinbau, Georgian-Revival-Stil. Ölporträts an mahagonivertäfelten Wänden, Messingkandelaber, Perserteppiche, das übliche Blumengesteck am Eingang - alles vertraut und nur zu einem Zweck vorhanden: damit Win sich fehl am Platz fühlt. Nicht die Schuld von Harvard, einfach nur eine Eigenart Lamonts. Sie bestellt Win immer in den Faculty Club, wenn sie das Gefühl von Macht sucht, von mehr Macht als gewöhnlich, wenn sie also entweder innerlich unsicher ist oder Win braucht - oder beides.
    Er sitzt auf dem harten antiken Sofa, auf dem er immer sitzt. Der Sekundenzeiger der goldenen Breguet erinnert ihn, dass Lamont zu spät ist, eine Minute, zwei Minuten, drei, zehn. Er beobachtet, wie Menschen kommen und gehen, zahllose Akademiker, Würdenträger auf Besuch, Dozenten oder prominente Familien, die sich informieren wollen, ob sie ihre prominenten Kinder hierher schicken sollen. Was Win an Harvard mag, ist, dass es einem unbezahlbaren Kunstwerk gleicht. Man kann es nicht besitzen. Man kann es nicht verdienen. Man darf eine Weile hingehen und ist anschließend wegen dieses Besuchs ein weitaus besserer Mensch, auch wenn Harvard sich nicht an einen erinnert. Einen wahrscheinlich niemals bemerkt hat. Das findet Win traurig an Lamont, so wenig er sie manchmal auch mag, so verachtenswert er sie manchmal auch findet.
    Das, was sie hat, wird niemals genug sein.
    Sie kommt herein, rollt ihren Schirm zusammen, schüttelt den Regen vom Mantel, während sie hinausschlüpft, steuert auf die Garderobe zu.
    »Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass es immer regnet, wenn wir uns hier treffen?«, fragt Win, als sie den Speisesaal betreten, an ihrem angestammten Tisch am Fenster Platz nehmen, von dem man auf die Quincy Street
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher

von