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Und was, wenn ich mitkomme?

Und was, wenn ich mitkomme?

Titel: Und was, wenn ich mitkomme?
Autoren: Eva Prawitt
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Wir brauchen keine Kinderschaukel mehr und keinen Sandkasten, und es wäre für ihn spannend, auszuprobieren, wie es ist, nicht immer etwas machen zu müssen. Wir möchten aus unseren Fenstern nicht mehr auf andere Hauswände, sondern lieber auf Wald und Wiesen schauen und uns dabei an jeden morgendlichen Aufbruch auf dem Camino erinnern. Wir möchten nicht vergessen, dass wir immer unterwegs bleiben wollen. Und wir möchten beide Abstand zum alten Umfeld gewinnen, uns einen neuen Rahmen geben und Freiräume schaffen, uns aufeinander besinnen, um uns nicht wieder zu verlieren.
    Ich bin so froh, dass Pit mit mir gekommen ist. Zusammen sind wir zurückgekehrt an den Punkt unserer ersten Liebe. 1000 Kilometer hat es gebraucht, über eine Million Schritte, bis wir uns wiedergefunden haben. Es ist wie eine Heimkehr, die wir mit jedem Blick in die Augen des anderen, mit jedem lieben Wort, mit jeder zärtlichen Berührung feiern. Hand in Hand wandern wir durch Santiagos Altstadt, verbringen eine romantische Stunde geschützt hinter dicken Mauern unter üppigem Weinlaub in einem Gartencafé und verträumen danach noch einmal die Zeit bei unserem Straßenmusikanten. Pit kauft eine CD, während ich mir einen Platz auf der Mauer suche, die die Plaza de Praterias auf der Rückseite der Jakobus-Kathedrale umschließt. Ich strecke die Beine von mir, schließe die Augen, zerfließe in Sonne und Wind und Musik und fühle mich aufgehoben in der Nähe meines Mannes, der sich so dicht neben mich setzt, dass ich seine Lebendigkeit und die Wärme seiner Haut spüren kann.
    Als ich die Augen öffne, sehe ich den Blick einer fremden Frau auf mir ruhen. Und als ich ihn erwidere, lächelt sie: »You look so comfortable. « Was für ein Kompliment! Pit strahlt und drückt meine Hand. Er kauft mir Ohrringe, die wunderbar zu meinem neuen Kleid passen.
    Am Abend setzt er sich in eine Bar ab, um zusammen mit den Einheimischen Fußball zu schauen. Ich lümmle auf dem Bett in unserem Zimmerchen und sehe mir im Fernsehen Highlander auf Spanisch an, was kein besonders prickelndes Programm für einen letzten Camino-Abend ist. Aber wenn ich mich selbst ernst nehmen und mir treu bleiben will, muss ich es wohl aushalten, dass trotz aller Nähe unsere Bedürfnisse gelegentlich auseinandergehen.
    Es ist spät, als Pit zurückkehrt. Trotzdem lasse ich mich von ihm zu einem Spaziergang durch den nahe gelegenen Park überreden und anschließend zu einem Absacker in der Bar bei Antonio und Elena. Und Überraschung: Er zaubert noch zwei lecker duftende Zigarren aus der Tasche. Es wird doch noch ein perfekter Abschied!

    Aus Pits Tagebuch:
    Wir schlafen lange und lassen unsere beiden letzten Tage gelassen auf uns zukommen. Noch einmal besuchen wir die Pilgermesse, die diesmal kürzer ausfällt, leider auch ohne die Nonne mit der himmlischen Stimme. Der Kult um den Apostel Jakobus ist mir immer noch sehr befremdlich.
    Nach der Messe setzen wir uns auf einen kleinen schattigen Platz hinter der Kathedrale und hören uns einen sehr guten jungen Gitarristen an, das Highlight des Tages: schöne Musik, tolles Ambiente, Zeit ohne »Muss«...
    Nach einer ausgiebigen Siesta bummeln wir durch die Stadt. Eva kauft sich ein weißes Sommerkleid und behält es gleich an. Sie sieht sehr schön aus: braungebrannt und gesund, und ihre Haut schimmert glatt und seidig.
    Viel zu reden gibt es nicht. Irgendwie sind wir abgefüllt, kein Platz mehr auf der Festplatte... Aber dafür haben wir Raum und Zeit, um die Gedanken wandern zu lassen. Morgen fliegen wir nach Hause. Ich habe sehr gemischte Gefühle: Was werden wir wo finden? Einerseits freue ich mich auf unsere Familie und auf unsere Freunde, andererseits habe ich Bammel davor, zu Hause wieder in den alten Trott zu verfallen. Wir haben uns so viel erobert. Das will ich nicht wieder verlieren.
    Es ist sonnig und die Luft ist warm. Wir schauen uns drei kleine, schattige Parks an und flanieren auf der überdachten Straße, die die Altstadt mit dem modernen Santiago verbindet. Im Weinlaubengang eines Hinterhofcafés trinken wir café con leche und essen Schoko-Croissants. Elena kocht uns in unserem hostal unser letztes menu del dia: Kohlsuppe und Schnitzel mit Pommes und Salat, danach gibt es eine echte Tarte de Santiago und zu allem reichlich Weißwein. Und dann gehe ich in eine Bar ein paar Straßen weiter und schaue mir die Fußballweltmeisterschaft an: Deutschland gegen Kroatien. Auf dem Rückweg zum hostal erstehe ich als kleine
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