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Und was, wenn ich mitkomme?

Und was, wenn ich mitkomme?

Titel: Und was, wenn ich mitkomme?
Autoren: Eva Prawitt
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Wirtin wird sich darum kümmern. Tranquillar!
    Heute Morgen lag dichter Nebel über den Feldern, Sichtweite höchstens hundert Meter. Und die ersten vier bis fünf Kilometer unserer Wanderung liefen wir im Regen. Wir waren trotzdem gut gelaunt, aber auch erleichtert, als sich schließlich die Sonne zeigte. Immerhin sind meine Schuhe kaputt. Die Nähte sind aufgerissen seit der Strecke Arzúa— Santiago, was mich bis jetzt wegen der trockenen Witterung nicht weiter gestört hat. Der Weg wechselte von Asphalt zu weichem Lehm- und Waldboden. Bis auf die Eukalyptuswälder sah alles ganz heimatlich aus. Gegen zwölf Uhr genehmigten wir uns unseren café con leche und kamen schon kurz vor ein Uhr an unserem Etappenziel in Ordes an. Ein altes Ehepaar geleitete uns freundlich zu unserem hostal, das uns Carlos aus Bruma empfohlen hatte. Wir brauchten den beiden Leutchen bloß den Zettel unter die Nase zu halten, auf den Carlos die Adresse gekritzelt hatte.
    Das Hotel ist für spanische Verhältnisse ganz nett, bloß dass sofort, kaum dass Pit das Fenster öffnete, lauter Fliegen Mitbewohner sein wollten. Pit versuchte, sie mit meinem Regencape aus dem Zimmer zu scheuchen — sehr lustig, aber nicht sehr erfolgreich. Aber jetzt wird trotzdem Siesta gehalten...

    Aus Pits Tagebuch:
    Wir haben lange geschlafen und sind erst Viertel vor zehn aufgebrochen. Wir haben aber auch bloß schlappe 15 Kilometer vor uns. Es ist diesig und es regnet. Eva schaltet ihren »Regenturbo« ein — was heißt, dass sie einen ordentlichen Zacken zulegt — und so schaffen wir gut und gerne fast sechs Kilometer in der Stunde.
    Die Wolken und der Regen verziehen sich nach einer Weile, und die Sonne schaut hervor. Regencape und Schirm werden schnell trocken und können wieder verstaut werden. Jetzt, ohne den Wasservorhang von oben, zeigt sich die Landschaft leicht hügelig. Es gibt nur wenige Bäume. Wir gehen die meiste Zeit leicht bergab, was sehr unangestrengt ist, man läuft fast wie von selbst. Eva hat neue Ideen für einen Neubau und wir reden darüber.
    Meine Gedanken gehen immer öfter nach Hause. Nur noch fünf Tage... Ich bin neugierig auf das, was uns erwartet, und gespannt, was wir umsetzen werden. Eva und ich reden über eine neue Zeiteinteilung und darüber, wie wir Familie, Freundeskreis, Arbeit, Ehrenamt und vor allem unsere Zweisamkeit vernünftig unter einen Hut bringen können. Auf jeden Fall wollen wir so oft wie möglich miteinander wandern. Das Miteinanderlaufen hat uns gut getan...
    Gegen ein Uhr erreichen wir Ordes. Wir checken in einer sehr einfachen und günstigen Pension mit Bar und Restaurant ein — 20 Euro für uns beide — , duschen und essen anschließend im überraschend luftigen Hinterzimmer, das sich an die düstere und enge Bar anschließt, ausführlich und lange an einem weiß gedeckten Tisch. Danach lungern wir auf unserem Zimmer herum. Wir sind ein bisschen albern und überdreht. Gut, dass es einen Fernseher gibt. Eva döst ihrem vino tinto- Geist hinterher, und ich schaue mir die Fußballweltmeisterschaft an: Deutschland gegen Polen. Deutschland gewinnt 2:0, beide Tore von Podolski...

56. TAG ORDES — SIGÜEIRO

    Wir verabschieden uns mit Küsschen, Küsschen von unserer Wirtin, heben ein paar Straßen weiter an einem Bankautomaten Geld ab und kaufen in einer Backstube ein ofenfrisches, rundes Brot. Es wird kurz vor zehn, bis wir wieder »on the road« sind.
    Vor der Stadt treffen wir auf unsere alte Bekannte, die Nationalstraße 634. Wir lassen sie links liegen und wandern noch drei Kilometer zurück zum Camino und den ersten Jakobswegweisern. Die gelben Pfeile führen uns über schmale Straßen und Wege durch Hügellandschaft, Felder und kleine Mischwälder. Es gibt nur wenig Häuser, aber bei jedem bellen sich wieder einmal Kettenhunde die Seele aus dem Leib, was uns allmählich ziemlich auf die Nerven geht. Das Gekläffe zerschneidet die Ruhe und den Frieden wie mit einem Messer, und wir sind froh, als wir die Häuser hinter uns lassen.
    Menschen sehen wir so gut wie keine. Daher erscheint es uns wie ein Wunder, als wir mitten im Wald nach links abbiegen, aber plötzlich zwei Leute, die merkwürdigerweise auf einer Lichtung mit Feldarbeit beschäftigt sind, hinter uns her rufen. »Falsche Richtung«, winken sie mit Armen und Händen und lotsen uns rechts in einen schmalen Waldweg. Und tatsächlich entdecken wir bloß eine Biegung weiter hinter Brombeergestrüpp und hüfthohen Disteln ein Jakobszeichen.
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