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Und was, wenn ich mitkomme?

Und was, wenn ich mitkomme?

Titel: Und was, wenn ich mitkomme?
Autoren: Eva Prawitt
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Unsere beiden Engel haben uns in einen lichten Kiefernwald geführt mit Unterholz aus hellgrünen Farnen, duftigen Gräsern und wilden Blumen. Pit und ich lagern uns auf einem sonnenbesprenkelten Plätzchen auf Moos und Kiefernnadeln und teilen uns das Brot, das wir in Ordes gekauft haben. Die Kruste ist goldbraun gebacken und das Innere weiß und luftig und warm. Außer Wasser aus unseren Wassersäcken brauchen wir nichts anderes dazu und genießen mal wieder das Hier und Jetzt. Welch ein Reichtum liegt doch in der Einfachheit des Augenblicks! Wir haben alles, was wir brauchen und was uns guttut — und wir haben uns.
    »Vielleicht ist dies hier unser letztes Päuschen im Freien«, träumt Pit. Bei dem Gedanken überfällt uns beide Wehmut. Aber noch sind wir ja nicht am Ziel. Noch liegt ein ganzer Wandertag voller Überraschungen und Wunder vor uns...
    Doch jetzt wird es leider eintönig: Ein Schotterweg zieht sich breit und schnurgerade zwischen Wald und Feld dahin. Die Sonne brennt, und Schatten ist rar. Die Luft ist staubig und trocken und es gibt nichts, was das Auge oder die Gedanken fesselt. Aber eigentlich ist das auch nicht mehr nötig. Fast ist es sogar wohltuend, nicht zu denken, nicht zu reden, die Füße von allein die Schritte setzen zu lassen und sich aufzulösen in Sonne und Sein. So geht es kilometerweit bis kurz vor Sigüeiro.
    Von der Straße führt links ein Trampelpfad zu einer gepflegten Grünanlage mit Bänken unter schattenspendenden Bäumen und geharkten Kieswegen. Über eine Brücke geht es über ein Bächlein bis dicht vor ein Freibad. Keine Menschenseele ist zu sehen. Das Wasser im Pool ist blank wie Seidenpapier. Wir gehen am Maschendrahtzaun entlang bis zum Eingang und siehe da: Es ist geöffnet. »Eine kleine Abkühlung gefällig?«, schlägt Pit vor. Eigentlich ist er kein begeisterter Schwimmer. Außer in der Badewanne oder unter der Dusche ist ihm Wasser einfach zu kalt. Aber wahrscheinlich will er mir eine Freude machen, denn Wasser wirkt auf mich — im Gegensatz zu ihm — wie ein Magnet, und ich brauche es nur zu sehen, um gleich euphorisch zu werden. Wie oft habe ich mich auf dem Weg am Meer entlang zurückgehalten. Wie oft musste ich mich mit dem Anblick allein begnügen. Aber jetzt muss ich nicht kämpfen, ja, nicht einmal bitten. Pit weiß ganz von allein, was ich mag, und macht die Erfüllung möglich. Ein Hindernis gibt es allerdings noch: Wir haben zwar Badesachen, aber keine Kappen dabei. Das Mädchen an der Kasse macht uns deutlich, dass es ohne nicht geht. Schade. Enttäuscht wollen wir uns abwenden, da kramt das junge Ding in ihrer Tasche und zieht ihre eigene Badekappe hervor. Sie hat zwar bloß die eine, aber wenn wir uns abwechseln wollen... also, dann könnten wir schon schwimmen gehen.
    Wir kaufen noch zwei Dosen Bier und bezahlen den Eintritt. Und dann haben wir das ganze Becken für uns. Wir verbringen angenehm erfrischende eineinhalb Stunden. Wir sind ganz allein und genießen die warme Sonne, das kühle Wasser und unser Zusammensein. Belebt, ausgeruht und sauber marschieren wir in Sigüeiro ein. Im Hostal Miraz buchen wir ein Zimmer.
    Sigüeiro wirkt nicht besonders spektakulär. Doch nachdem wir uns eingerichtet und gepflegt haben, ziehen wir trotzdem noch einmal los. Das Städtchen ist ganz und gar nicht touristisch. Es gibt mehrgeschossige, kastenförmige Wohnhäuser mit abblätterndem Putz, eine magere Geschäftsstraße, Grünanlagen und Spielplätze am Fluss. Überall toben Kinder. Und alte Männer sitzen in den Bars, schlürfen Kaffee und Cognac und spielen Karten. Ihr Palaver und das Geplärre der Fernseher tönen durch die weit geöffneten Türen auf die Straßen hinaus. Wir kaufen Wasser und Eis und machen einen kleinen Schaufensterbummel. Wir hätten beide Lust auf neue T-Shirts. Aber es springt uns nichts ins Auge, und auf einmal ist uns der Einkauf auch gar nicht mehr so wichtig. Also setzen wir uns an den Fluss, schauen Großeltern mit ihren Enkeln und Eltern mit ihren Kindern zu und ein paar Halbwüchsigen, die Bälle gegen Hauswände schmettern. Wir gehen eine Kleinigkeit essen und lassen den Tag bei einem Glas Wein sehr entspannt ausklingen.

57. TAG SIGÜEIRO — SANTIAGO

    Hinaus aus Sigüeiro geht es über den Fluss Tambre und dann im Zickzack an der N 550 entlang. Leider verpassen wir auch heute die richtige Abzweigung. Aber wieder weist uns ein hilfreicher und aufmerksamer Engel den richtigen Weg an einem verwitterten, einsamen Kirchlein
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