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Und trotzdem ist es Liebe

Und trotzdem ist es Liebe

Titel: Und trotzdem ist es Liebe
Autoren: Emily Giffin
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einen freien Tisch am Fenster. Hinter uns sitzen fünf Bauarbeiter, und als einer aufsteht und geht, bemerkt Jess, er habe «einen perfekten Arsch». Mit ihren ungenierten Kommentaren über Körperteile des anderen Geschlechts erinnert sie mich an einen Mann. Ich werfe einen Blick auf das Levi’s-umhüllte Hinterteil, stimme ihr zu, dass es wirklich sehr ordentlich ist, und komme dann zögernd auf mein Dilemma zu sprechen.
    Jess hört aufmerksam zu und macht ein mitfühlendes Gesicht. Es ist lange her, dass ich eine Beziehungsberatung von ihr nötig hatte. Ich sehe ihr an, dass ihr die Ablenkung von Treys neuesten furchteinflößenden Kapriolen willkommen ist, als sie mit ihrem Alabama-Akzent, den sie auch nach vielen Jahren an der Nordostküste nicht abgelegt hat, erklärt: «Du und Ben, ihr werdet das hinkriegen. Nicht in Panik geraten.»
    «Ich bin nicht in Panik», sage ich. «Na ja … vielleicht ein kleines bisschen … Schließlich gibt es beim Kinderkriegen keine Kompromisse, oder?»
    Jess nickt und schlägt ihre langen Beine andersherum übereinander. «Da ist was dran.»
    «Deshalb hoffe ich, es ist nur eine Phase.»
    Jess hebt ihr Hühnchensalat-Sandwich hoch und schiebt ein paar Kartoffelchips hinein. «Ich bin sicher , es ist nur eine Phase», sagt sie. «Eine kleine Verwirrung, die er da durchmacht.»
    «Ja.» Ich starre auf mein Truthahn-Sandwich. Seit wir aus der Karibik zurück sind, habe ich nicht viel Appetit.
    «Erinnerst du dich an seine Gitarre?», fragt sie und verdreht die Augen. Jess macht sich gern lustig über Ben, und er tut es umgekehrt auch; für mich ist das nur ein Zeichen dafür, dass sie sich mögen. Sie lacht und sagt: «Der alte Benny Van Halen war ein paar Monate richtig heiß drauf, nicht?»
    Ich muss lachen, als ich daran denke, wie Ben und ich eines Tages an einem kleinen Laden im Village vorbeigingen, der Guitar Salon hieß. Er lag anheimelnd in einem bezaubernden Brownstone-Haus, hell beleuchtet und einladend an diesem Regentag. Wir gingen hinein und sahen uns um, und nach ein paar Minuten beschloss Ben, er müsse sich eine alte Gitarre zulegen. Es war buchstäblich das erste Mal, dass er auch nur das geringste Interesse an einem Musikinstrument zeigte, aber inzwischen war ich schon daran gewöhnt, dass er sich ganz unvermittelt für die unterschiedlichsten Themen interessieren konnte. Ben gehört zu den Leuten, die Begeisterung für viele verschiedene Dinge aufbringen können – für Astronomie, Filme, das Sammeln alter Uhren, was auch immer. Also sah ich ihm liebevoll zu und wartete geduldig, während er dem Besitzer eine Unmenge von Fragen stellte. Dann fing er in aller Ruhe an, Gitarren zu untersuchen; er strich mit den Fingern über die Saiten und versuchte sogar zu spielen. Eine Stunde später gab er ein kleines Vermögen für eine spanische Gitarre aus Fichten- und Rosenholz aus dem Jahr 1956 aus. Dazu kaufte er einen Packen Unterrichtsmaterialien von jemandem, der in der New Yorker Welt der klassischen Gitarre halbwegs berühmt war.
    Monatelang übte Ben mit bezaubernder Inbrunst; schon bald beherrschte er die Grundlagen und hatte beeindruckende Schwielen an den Fingern. Zu meinem Geburtstag brachte er mir ein Ständchen: eine perfekte Darbietung von «I Can’t Help Falling In Love With You». Ich gestehe betreten, dass dieses Lied mich noch jedes Mal zum Schmelzen bringt, zumal ich immer behauptet habe, dass Ben ein bisschen aussieht wie ein junger, aschblonder Elvis.
    Aber kurze Zeit später verlor er das Interesse an seinem neuen Hobby und vergrub seine Gitarre in einer staubigen Ecke unter unserem Bett. Und kürzlich hat er sie bei eBay zum Verkauf angeboten. Jess versichert mir jetzt, dass seine derzeitige Fixierung auf die Vaterschaft genauso kurzlebig sein wird.
    «Das Problem ist nur», sage ich, «Ben hat tatsächlich eine Gitarre gehabt , ehe er den Plan, Gitarrenvirtuose zu werden, wieder aufgab.»
    «Das stimmt», sagt sie und scrollt durch eine E-Mail auf ihrem Blackberry. Multitasking beherrscht sie meisterhaft. Mit rasend flinkem Daumen tippt sie eine Antwort und sagt dabei: «Und es gibt keine Möglichkeit, vorübergehend ein Kind zu haben, was?»
    «Da könnte Rays und Annies Baby ganz nützlich werden.» Ich denke an die wochenlangen Aufenthalte im Haus meiner Schwester Maura, immer wenn sie eins ihrer drei Kinder bekommen hatte. Alle drei Besuche waren anfangs faszinierend, weil kaum etwas so bedeutsam und ungewöhnlich ist wie die Begrüßung
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