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Und plotzlich ist es Gluck

Und plotzlich ist es Gluck

Titel: Und plotzlich ist es Gluck
Autoren: Geraghty Ciara
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Käsesauce. Er ist unrasiert und hat dunkle Schatten unter den Augen. Es riecht nach Hund. Ich nehme all diese Eindrücke in mich auf. Ich will nichts davon vergessen. Dieses entspannte, kameradschaftliche Verhältnis, das wir haben. Wie er an diesem Donnerstagabend in Sofias Wohnzimmer auf dem Fußboden liegt, alle viere von sich gestreckt. Denn ab morgen wird alles anders sein.
    Er sieht zu mir hoch und lächelt sein träges Lächeln. »Ja?«
    »Ich wollte mich nur mal bei dir bedanken.«
    Red schiebt sanft Al Pacinos Pfoten von seiner Brust und richtet sich auf. »Wofür?«

    »Für Ellen. Dafür, dass du sie zur Welt gebracht hast.«
    »Du hast doch die ganze Arbeit gemacht.«
    »Du warst so ruhig«, sage ich.
    »Ich hatte nicht den Eindruck, dass ich ruhig war.«
    »Du warst es aber.«
    »Wenn ich so darüber nachdenke, war das der schlimmste und zugleich der schönste Augenblick meines Lebens.«
    Ich nicke. Ich weiß genau, was er meint.
    »Als sie endlich herauskam und ich sie in meinen Händen hielt – in beiden, obwohl sie locker in eine gepasst hätte … Ich hatte solche Angst. Dass ich sie fallen lassen oder ihr wehtun würde.«
    »Hast du aber nicht«, erinnere ich ihn.
    »Sie war so winzig. Und so still. Einen Augenblick dachte ich …«
    »Ich weiß«, unterbreche ich ihn, weil ich nicht will, dass er den Satz beendet.
    »Und ich konnte den Puls an der Nabelschnur sehen, die euch verbunden hat. Er war so stark. So etwas hatte ich noch nie zuvor gesehen. Der Anblick hat mich an meine eigene Mutter erinnert. Ich war fast drei, als sie gestorben ist, und ich erinnere mich an nichts von ihr. Gar nichts.« Er lächelt mich an, um seinen Worten die Melancholie zu nehmen.
    »Ich bin überzeugt, sie hat dich sehr geliebt«, sage ich, und ich bin es wirklich. Er ist ein so unglaublich liebenswerter Mensch.
    »Mein Vater hat sie verlassen«, erwidert er, ohne mich anzusehen. »Als sie mit mir schwanger war.« Es klingt verletzt. Er konzentriert sich darauf, Al Pacino zu streicheln.
    »Hast du je versucht, ihn ausfindig zu machen?«, frage ich. Ich stehe noch immer an der Tür, unschlüssig, ob ich noch einmal zu ihm hineingehen und mich hinsetzen soll.

    »Nein«, sagt er, und ich weiß, er könnte noch viel mehr sagen, aber er presst die Lippen aufeinander, um die Worte zurückzuhalten.
    »Und, meinst du, du wirst es je tun?«
    »Nein.« Er steht auf und schüttelt seinen Pulli aus, wegen der Hundehaare. »Ich habe Angst.« Das wirkt wie ein Geständnis, so, wie er es sagt.
    »Wovor?«
    »Davor, dass ich womöglich genau wie er bin. Ich will nicht so sein wie er. Ein Mann, der einfach seine Familie verlässt, wenn sie ihn am dringendsten braucht.«
    »Aber du bist doch überhaupt nicht so.« Jetzt mache ich doch kehrt. Seine Worte haben mich tief getroffen. Seine Angst ist so absolut unbegründet.
    »Woher willst du das wissen?«
    »Na, du bist immer noch hier, oder?« Ich gehe einen Schritt auf ihn zu. »Und das nach allem, was passiert ist.«
    Es fühlt sich so an, als würde ich an der Grenze zu einer wunderbaren neuen Welt balancieren. Ich atme einmal tief durch und trete aus der alten in die neue.
    Ich habe nicht beschlossen, ihn zu küssen. Ich frage nicht, ob ich ihn küssen darf. Ich tue es einfach, ohne darüber nachzudenken, ohne um Erlaubnis zu fragen.
    Ich rieche süße Früchte. Beeren möglicherweise. Als ich ihn küsse, fällt mir wieder ein, wie sich sein Mund anfühlt und wie perfekt er auf den meinen passt. Der Kuss ist wie das Klicken eines Schlüssels im Schloss. Wie ein Lied, von dem ich dachte, ich hätte es vergessen, aber jetzt, da ich es singe, stelle ich überrascht fest, dass ich den Text noch weiß. Es fühlt sich an, als wäre es unser erster Kuss. Er ist anders als die davor. Warm und sanft und salzig. Er ist wie ein Wiegenlied. Man könnte bei diesem Kuss einschlafen. Ich mache mich von ihm los.

    »Du bist überhaupt nicht mein Typ«, sage ich, als wären wir mitten in einer Auseinandersetzung.
    »Du meiner auch nicht«, erwidert er, und dann küssen wir uns wieder, leidenschaftlicher diesmal. Wir taumeln durch das Zimmer, streifen diverse Möbelstücke. Er hebt mich hoch, und ich schlinge die Beine um seine Hüften und klammere mich an ihn. Seine Hände sind in meinen Haaren, sein Atem heiß an meinem Ohr.
    »Ich liebe dich.« Die Worte sind heraus, ehe ich mich einbremsen kann. Ich vergrabe das Gesicht in seiner Halsbeuge und beiße ihn, in der Hoffnung, dass er es nicht
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