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Und plotzlich ist es Gluck

Und plotzlich ist es Gluck

Titel: Und plotzlich ist es Gluck
Autoren: Geraghty Ciara
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Kopfhaar
dunkel und drahtig sind). Das weiß ich von Filly, und die hat es von Simons leidgeprüfter Sekretärin.
    Dass Simon Kavanagh darauf besteht, die monatlichen Besprechungen mit dem Management an einem Freitagnachmittag abzuhalten, sagt eigentlich schon alles über ihn. Ich hege eine ausgeprägte Abneigung gegen diese Meetings, die diesmal noch stärker ist. Von Montag bis Donnerstag kann ich einigermaßen damit umgehen, dass John nicht da ist, aber an den Wochenenden ist es noch ungewohnt. Schon am Freitagmorgen verspüre ich ein seltsames Drücken in der Magengegend, als hätte ich einen Hotdog gegessen, was gar nicht der Fall sein kann, weil ich Vegetarierin bin. Und das Gefühl lässt erst am Sonntagabend wieder nach bei der Aussicht, am Montag wieder zur Arbeit gehen zu können.
    Es kommt mir surreal vor, dass unsere letzte Unterhaltung vor drei Wochen stattgefunden hat. In Johns Wohnung. Schon bezeichne ich sie wieder als seine Wohnung.
    »Ich gehe«, hatte er verkündet.
    »Den Teil habe ich verstanden, aber was war das danach? «
    »Wie, danach?«
    »Der Satz, der unmittelbar nach ›Ich gehe‹ kam.«
    »Ich … Ich habe gesagt, dass ich …« Er sah mir flüchtig ins Gesicht. »Ich habe beschlossen, auf einer archäologischen Ausgrabungsstätte in Sao Paulo zu arbeiten. Das heißt, nicht direkt in Sao Paulo. Es ist ungefähr fünfundsiebzig Kilometer von Sao Paulo entfernt. In Brasilien.«
    Ich weiß, dass Sao Paulo in Brasilien liegt. Ich bin eine Frau, die sich auskennt, aber mit einer solchen Wendung hatte ich nicht gerechnet. Ich war – ich hasse diesen Ausdruck, aber ich muss ihn trotzdem verwenden – geplättet. Total von den Socken.

    »Aber du sprichst kein Wort Portugiesisch«, sagte ich und wünschte mir flüchtig, ich hätte ältere Brüder. Hünenhafte, behaarte Muskelprotze, bärenstark, aber einsilbig. Ich hätte sie angerufen und ihnen von Johns Plänen erzählt, und sie hätten schweigend ins Telefon genickt, und dann hätten sie sich auf den Weg gemacht, um ihm den Kopf zurechtzurücken. Leider habe ich weder Brüder noch Schwestern. Ich bin ein Einzelkind.
    »Das kann ich lernen. Portugiesisch stammt vom Lateinischen ab, wie die meisten modernen Sprachen.«
    »Aber du hattest doch gar nie Latein«, wandte ich ein, als könnte ich ihn mit diesem Argument umstimmen.
    Irgendwo tief drinnen wusste ich, dass dies keine normale Trennung war. Man diskutiert nicht über Sprachen, wenn man sich von jemandem trennt. Man schreit herum, zerdeppert Teller oder lässt einen schweren Gegenstand auf den großen Zeh des anderen fallen, ein Bügeleisen etwa. Man wirft Sachen – Kleidungsstücke des Partners oder so – aus dem Fenster, vorzugsweise aus einem Fenster im obersten Stockwerk. Wir taten nichts dergleichen. Wir haben noch nie zu den Paaren gehört, die schreien oder mit Gegenständen werfen. Ich stand da und betrachtete sein vertrautes Gesicht, und sein Mund, den ich so gut kannte, bewegte sich. Mit der schmalen Oberlippe, die beim Lächeln stets die Zähne verdeckt, wegen der Zahnspange. Ich hätte ihn beinahe angelächelt, doch dann öffnete er den Mund, und das Metall blitzte im Sonnenlicht auf, so grell, dass ich mir beinahe schützend die Hand vor die Augen halten musste.
    »Wir können ja in Kontakt bleiben«, sagte er.
    »Nein, können wir nicht«, erwiderte ich.
    Darauf sagte er nichts mehr. Er starrte lediglich auf seine Schuhe. Vernünftige braune Schnürhalbschuhe, die keinen
Anlass gaben zu der Annahme, dass er losziehen würde, um in Brasilien Erde zu sieben. Er trat von einem Fuß auf den anderen.
    Und da begriff ich, dass er mich verlassen würde.
     
    Ich marschiere durch den Korridor in Richtung Konferenzraum. Konzentriere mich darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen. An diesem Freitag, dem dritten, ist es besonders schlimm. Es kommt mir so vor, als wäre es der dreißigste Freitag. Die Wochen ziehen sich hin wie die Fastenzeit für ein achtjähriges Kind, das gelobt hat, auf Bonbons und Chips und Schokoriegel zu verzichten.

2
    Der Jour fixe findet im Konferenzraum des Vorstands im vierten Stock statt. Simon ist bereits da. Er thront am Kopfende des Tisches und trommelt ungeduldig mit den Fingern, obwohl die Besprechung offiziell erst in fünf Minuten anfängt. Simon ist ein beleibter Mann mit kleinen, hellen Schweinsaugen von einer undefinierbaren Farbe. Diesen Augen entgeht nichts. Sie verfolgen, wie ich eintrete und mich auf dem von Simon am weitesten
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