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Und plotzlich ist es Gluck

Und plotzlich ist es Gluck

Titel: Und plotzlich ist es Gluck
Autoren: Geraghty Ciara
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die Einnahme der kleinen weißen Tablette nach dem Frühstück zu einer Art symbolischen Handlung geworden – eine stille Hoffnung, ein wortloses Gebet, dass alles wieder so werden möge, wie es war.
    Ich könnte natürlich auch etwas anderes kaufen. Paracetamol gegen die Verspannungen. Eine Flasche Badeschaum, leuchtend blau oder knallgrün. Oder irgendein Tonikum, das mich ein bisschen in Schwung bringt. Etwas gegen die Müdigkeit, die mich in den letzten Wochen so häufig überkam. Ich muss keinen Test kaufen. Niemand weiß, dass ich hier bin. Ich könnte ganz einfach meinen Kater hochheben und wieder ins Büro zurückkehren. Doch meine Beine fühlen sich schwer an, als wüssten sie, dass es kein Zurück gibt.
    Ich habe die Tür der Apotheke erreicht. Als ich sie aufstoße, erklingt ein Summen, und ich nehme beinahe Reißaus, als Kunden und Angestellte die Köpfe wenden und mich ansehen. Doch dann widmen sie sich wieder ihren Angelegenheiten und ignorieren mich. Ich nehme Blue auf den Arm und trete an den Schalter. Ich bin bloß eine ganz normale Kundin in einer ganz normalen Apotheke an einem ganz normalen Freitagnachmittag.
    »Guten Tag. Was darf es sein?« Das Gesicht der Apothekerin ist von einer dicken Schicht Make-up bedeckt. Im grellen Neonlicht, und nicht zuletzt wegen ihres weißen Kittels, sieht es so aus, als würde die bräunliche Masse, die morgens zweifellos sehr fachkundig aufgetragen wurde, allmählich Millimeter für Millimeter nach unten rutschen.
    Der Anblick deprimiert mich derart, dass ich kaum die Tränen zurückhalten kann. Ich reiche ihr mein Pillenrezept.
    Sie nickt und deutet auf eine Reihe leerer Stühle. »Setzen Sie sich doch«, sagt sie mit einem sanften Lächeln, als wüsste sie alles.
    Ich lasse mich auf einem der Stühle nieder und versuche, mich so unauffällig wie möglich zu verhalten. Blue folgt meinem Beispiel und rollt sich auf meinem Schoß zu einem kleinen schwarzen Fellknäuel zusammen.
    Um mich abzulenken, stoppe ich die Zeit, bis die Apothekerin wieder auftaucht. Es dauert exakt drei Minuten und fünfundvierzig Sekunden, dann ist sie zurück. Sie mustert mich, sieht noch einmal auf das Rezept in ihrer Hand, und wie so oft trägt mir mein Name einen erstaunten Blick ein. Sie öffnet den Mund, und ich springe auf, doch es ist zu spät.
    »Scarlett O’Hara?«, sagt sie und schüttelt den Kopf, als wäre das völlig ausgeschlossen. Sie hat eine laute, tragende Stimme, weithin hörbar wie eine Kirchenglocke am Sonntagmorgen.
    Die anderen Kunden starren sie an und warten darauf, dass sie sich verbessert. »Verzeihung, ich meine natürlich Soairse O’Hara.« Oder Scarlett O’Herlihy. Oder Dympna Gibbons.
    Aber sie hat richtig gelesen.
    »Also, was mich am meisten erstaunt«, sagt sie, als würden wir schon eine Weile miteinander plaudern, »ist die Tatsache, dass Sie Vivien Leigh wie aus dem Gesicht geschnitten sind.«
    Ich atme tief durch und nicke, denn sie hat Recht – ich sehe Vivien Leigh zum Verwechseln ähnlich. Dunkle Locken, herzförmiges Gesicht, grüne Augen, spitze kleine Stupsnase. Ich bin sogar gleich groß wie sie, exakt einen
Meter sechzig. Das weiß ich von meiner Mutter, und Maureens enzyklopädisches Wissen über Filme und Filmstars ist legendär.
    »Danke«, sage ich und nehme lächelnd die Packung Tabletten von ihr entgegen. Wenn ich lächle, ist die Ähnlichkeit nicht mehr ganz so groß.
    »Benötigen Sie sonst noch etwas?«, fragt die Apothekerin.
    »Ja, ich …« Ich lasse gehetzt den Blick über die Regale rechts und links von mir gleiten. Keine Schwangerschaftstests weit und breit. Ich werde wohl danach fragen müssen. Vorsichtig werfe ich einen Blick über die Schulter, um sicherzugehen, dass niemand aus meiner Firma hinter mir steht. Die Luft ist rein.
    Die Apothekerin beugt sich erwartungsvoll lächelnd über den Tresen. »Geben Sie mir doch bitte noch …« Aus dem Augenwinkel erspähe ich ein Körbchen mit Katzenhalsbändern. Sie sind rot und mit einem kleinen Glöckchen versehen. Blue könnte ein neues Halsband brauchen. Definitiv. »Ein Katzenhalsband.«
    »Oh. Selbstverständlich«, sagt sie etwas überrascht und greift nach einem der Halsbänder, um es neben die Kasse auf den Tresen zu legen.
    Und da sehe ich sie: Reihe um Reihe der langen, schmalen Schachteln mit so aufschlussreichen Namen wie Clearblue oder BeSure (irische Marke) und Test, Test, eins zwo drei (amerikanische Marke). Sie sind quasi direkt vor meiner Nase aufgestapelt.
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