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Und plotzlich ist es Gluck

Und plotzlich ist es Gluck

Titel: Und plotzlich ist es Gluck
Autoren: Geraghty Ciara
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Scherz beiseite, meine Liebe. Sie können jederzeit vorbeikommen. « Sie deutet mit dem Kopf auf die Tests, die nun in der Papiertüte verstaut sind. »Falls Sie Fragen haben sollten, meine ich, oder falls Sie sonst irgendwie Rat brauchen. « Sie berührt flüchtig meine Hand.
    Zum zweiten oder dritten Mal an diesem Tag bin ich den Tränen nahe. Keine Ahnung, ob es diesmal an der Freundlichkeit in ihrer Stimme liegt oder an der Vorstellung, dass Blue so gefährlich für ein ungeborenes Kind sein kann. Doch ich reiße mich am Riemen und nehme den herzförmigen Lutscher entgegen, den alle Kunden erhalten, wie mir die Apothekerin versichert, und dann verdrücke ich mich unauffällig.

4
    Wie sich herausstellt, ist es einfacher als erwartet, auf ein Stäbchen zu pinkeln und dabei darauf zu achten, dass es bloß mit Mittelstrahlurin in Berührung kommt. Das Schwierige ist die dreiminütige Wartezeit danach. Ich befinde mich in der Damentoilette im dritten Stock, in der Kabine ganz links hinten. Ich bin sonst nie hier. Normalerweise benutze ich die Toilette im zweiten Stock, und zwar die zweite Kabine auf der rechten Seite.
    Da es keine Möglichkeit gibt, das Stäbchen abzulegen, nachdem ich draufgepinkelt habe, halte ich es einfach zwischen Daumen und Zeigefinger und warte ab. In Ermangelung einer anderen Sitzgelegenheit klappe ich den Toilettendeckel zu und lasse mich darauf nieder. Er ist kalt, nach einer Weile wird mein Hintern taub. Eine halbe Minute ist vergangen, seit ich das letzte Mal auf die Uhr gesehen habe. Noch hundertfünfzig Sekunden. Die Tür zum Korridor schwingt auf, und ich vernehme das Klappern von zwei Paar High Heels. Das müssen Eloise und Lucille aus der Buchhaltung sein. Die beiden sind unzertrennlich.
    »… in einen Kibbuz oder sowas«, sagt Eloise gerade. »Habe ich jedenfalls gehört.«
    »Ich dachte, er wäre irgendwo in Südamerika?«, fragt Lucille.
    »Ja, Peru oder so.«
    »Egal, jedenfalls ist er dort angeblich einer Sekte beigetreten. «

    »Hätte ich ihm nie zugetraut, so rein optisch.«
    »Tja, da kannst du mal sehen.«
    Stille, während die beiden ihre Wahl treffen. Ich ziehe die Beine an und stelle die Fersen auf dem Rand des Toilettendeckels ab. Eloise und Lucille begeben sich in die beiden Kabinen gleich neben der Tür.
    Noch eineinhalb Minuten oder neunzig Sekunden. Zweiteres klingt besser. Kürzer.
    Ich höre das Ratschen eines Reißverschlusses, das statische Knistern einer Strumpfhose, das Knarren der Toilettensitze, Plätschern.
    »Soweit ich weiß, gibt es Kibbuze aber nur in Israel.« Klingt, als würde sich Lucille diesbezüglich auskennen.
    »Oh.« Diese Information muss Eloise wohl erst verdauen. Vielleicht konzentriert sie sich aber auch bloß aufs Pinkeln.
    Ich halte mir mit den Handflächen die Ohren zu. Trotzdem entgeht mir nicht, wie bewundernswert synchron sie je ein langes Stück Toilettenpapier aus dem Spender ziehen.
    »… scheint ihr nicht das Geringste auszumachen. Man könnte denken, es ist alles wie immer.« Eloise erhebt sich, und ich höre ihren Rock rascheln.
    »Naja, sie hat ja immer noch ihre heiß geliebte Katze.«
    »Stimmt.«
    Ich konsultiere meine Armbanduhr. Noch fünfzig Sekunden.
    »Mir sind Hunde ja eindeutig lieber.« Das war Lucille.
    »Mir auch«, sagt Eloise. Sie stehen jetzt wohl an den Waschbecken und ziehen sich den Lippenstift nach. »Obwohl ich auch nicht gerade ein fanatischer Hundefan bin. Aber wenn ich mich zwischen einem Hund und einer Katze entscheiden müsste, würde ich den Hund nehmen.«

    »Ich auch«, sagt Lucille. »Hunde sind einfach weniger … Wie soll ich sagen …«
    »Sadistisch.«
    »Genau. Hunde sind weniger sadistisch als Katzen.«
    »Richtig. Katzen jagen ja aus purer Lust am Töten.«
    Durch den Spalt zwischen Kabinentür und -wand kann ich ihre Köpfe ausmachen, einer hellblond, der andere dunkelblond. Sie nicken einmütig.
    Ich balle die Fäuste. Katzen jagen nicht aus purer Lust am Töten. Sie sind nun einmal Raubtiere. Ich sehe auf die Uhr. Noch dreißig Sekunden. Ich nehme mir vor, nicht noch einmal auf die Uhr zu sehen, bis die drei Minuten um sind. Es ist schwieriger, als ich dachte. Ich schiebe das Stäbchen in den Ärmel meiner Jacke und die Hand unter meine knochige rechte Pobacke, und so verharre ich, selbst als sie zu kribbeln anfängt.
    Zwanzig Sekunden. Endlich machen sich Eloise und Lucille vom Acker. Sie reden jetzt lauter, um den Lärm, den ihre Stöckelschuhe auf dem Marmorboden machen, zu
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