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Und plotzlich ist es Gluck

Und plotzlich ist es Gluck

Titel: Und plotzlich ist es Gluck
Autoren: Geraghty Ciara
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ihn einfach nicht enttäuschen, nachdem er sich so viel Mühe gegeben hat, also rücke ich dem verkohlten Laib mit dem Messer zuleibe. Übrig bleibt ein Stück Brot von der Größe eines Muffins. Ich schneide es
in zwei Teile und reiche ihm die größere Hälfte. Die Hälften sind klein genug, um sie sich auf einmal in den Mund zu stecken. Wir essen schweigend. Eine ganze Weile. Das Brot ist ziemlich kau-intensiv. Vor allem der Kern, der sich noch teigig anfühlt.
    »Und, was hältst du davon?« Wenn er besorgt ist, sieht Red aus wie Ellen. Ich trinke einen großen Schluck Wasser, um die letzten Teigreste hinunterzuspülen.
    »Köstlich«, sage ich, als ich es endlich geschafft habe, Ober- und Unterkiefer zu trennen.
    »Besser als der erste Versuch jedenfalls.« Er deutet auf den Biomülleimer, aus dem ein weiterer schwarzer Klumpen ragt. Irgendwie gelingt es mir, ernst zu bleiben.
    »Okay«, sage ich zum dritten Mal. »Du stellst einen neuen Topf Nudeln auf, ich übernehme den Salat.«
    Wir machen uns ans Werk, ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Man könnte es »geselliges« Schweigen nennen.
     
    Nach dem Essen gucken Red und ich Brothers & Sisters, wobei ich so tue, als würde ich die Serie hassen. Wir machen Fotos von Blue und Al Pacino, die auf einem Fauteuil thronen, das wir »ihr Fauteuil« nennen. Ich sitze wie immer mit untergeschlagenen Beinen auf der Couch, Red hat sich im Schneidersitz auf dem Boden niedergelassen, mit dem Rücken an die Couch gelehnt. Wir sind uns so nah, dass wir uns berühren könnten, aber wir tun es nicht. Wir gehen vorsichtig miteinander um. Wir erzählen einander, was wir an Ellen am schönsten finden. Ihre Augen, sagt Red, und wir reden nicht darüber, dass sie grün sind, wie seine. Wie meine.
    Ihre Nase, sage ich. Ellen hat eine süße kleine Knopfnase, die kein bisschen an Johns Nase erinnert.
    Red deutet mit dem Kopf in Richtung Fernseher. »Ich halte es für keine gute Idee, dass Kitty Robert heiratet,
während er mitten in der Wahlkampagne steckt. Er ist viel zu abgelenkt.«
    »Entschuldige, was?«, frage ich, weil ich gerade den Blättern draußen vor dem Fenster dabei zugesehen habe, wie sie sich von dem Baum im Vorgarten lösen und zu Boden segeln. Der Altweibersommer geht zur Neige, der Herbst steht endgültig vor der Tür.
    »Denkst du an morgen?«, fragt Red.
    »Ja.«
    »Schon gut«, sagt er und schaltet den Fernseher aus. »Ich auch.«
    »Was ist mit Kitty und Robert und der Wahlkampagne? «
    »Ablenkungsmanöver«, sagt er, und ich nicke.
    Es ist unnatürlich still, jetzt, da der Fernseher aus ist.
    Nach einer Weile sagt Red: »Ich hoffe wirklich, Ellen ist von mir.«
    Ich nicke. Das wusste ich bereits. Ich erkenne es daran, wie behutsam er sie hält. An den winzigen Bohnensäckchen, die er für sie macht und die er um sie herum drapiert, während sie schläft. »Das habe ich in einem Buch gelesen«, sagt er, als ich ihn danach frage. »Es soll die Geborgenheit der Gebärmutter simulieren, damit sie sich wohler fühlt.« Die Krankenschwestern nicken und lächeln ihn an. Selbst John tut das, obwohl es ihm sichtlich widerstrebt. Aber bei Red kann man einfach nicht anders.
    »Es ist wahrscheinlicher, dass John der Vater ist«, bemerke ich und erkläre ihm die mathematische Gleichung, mit der John die Chancen berechnet hat.
    Red nickt bedächtig. »Ich schätze, ein Vater sollte gut in Mathe sein. Sonst hat man niemanden, den man um Hilfe bitten kann, beim Bruchrechnen oder … wie heißt das noch gleich mit Sinus und Cosinus und so?«

    »Trigonometrie«, sage ich.
    »Richtig. Ich wette, John weiß alles über Trigonometrie. «
    »Tut er, ja. Aber mal im Ernst, Red, dieses Zeug ist doch überhaupt nicht wichtig. Ich meine, schau mich an – mein Dad könnte ein mathematisches Theorem nicht von einem Loch im Boden unterscheiden, und ich habe nie darunter gelitten.«
    »Gut, aber du warst wahrscheinlich auch ein Genie in Mathe, oder?«
    Das ist wohl nicht der richtige Zeitpunkt, um ihm zu erzählen, dass ich beim Abitur im Leistungskurs Mathematik mit ausgezeichnetem Erfolg abgeschnitten habe.
    Ich wünsche ihm eine gute Nacht und gehe zur Tür. Ich greife nach dem Knauf, halte inne, drehe mich zu ihm um. »Red?«
    Er hat sich lang auf dem Boden ausgestreckt. Al Pacino liegt neben ihm und leckt ihm abwechselnd über Hand und Gesicht. Red müsste dringend mal wieder zum Friseur. Oder zumindest mal wieder zu einer Bürste greifen. Sein Pulli ist voller Hundehaare und
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