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Und ploetzlich bist du jemand anders

Und ploetzlich bist du jemand anders

Titel: Und ploetzlich bist du jemand anders
Autoren: Christian Tielmann
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findet auch bald wieder statt.“
    Sie ist so freundlich. So nett. Aber irgendwie auch seltsam.
    Wieso hat die so viel Zeit für Sten? Muss die nichts anderes machen? Alle müssen doch immer irgendwas anderes machen.
    „Wenn du irgendwelche Probleme hast, dann kannst du hier mit allen drüber reden. Das hilft unheimlich. Manchmal hat man ja Probleme, die man gar nicht so richtig in den Griff kriegt. Wir machen auch Meditationen und versuchen unser Selbst zu finden und zu stärken. Vielleicht ist das ja was für dich – wie gesagt, das Einfachste ist, es mal auszuprobieren.“
    Nee, danke, denkt Sten. Psycho. Voll Psycho.
    Hat Theo denn Probleme? Was für Probleme soll einer wie Theo haben? Seine Eltern haben Geld. Er hat ein Schlagzeug. Er ist Drummer in der coolsten Band der Schule. Was treibt den hierher? Meditation? Das kennt Sten von seiner Mutter. Macht die beim Yoga immer. Sitzt da und starrt die Wand an. Große Klasse.
    Das macht Theo doch sowieso den ganzen Tag. Dafür braucht der doch kein Haus der Erkenntnis.
    Sten sieht sich in der Teeküche um. Unter den Fotos der beiden Männer liegen auf einer Kommode weitere Bücher, die sie geschrieben haben. Er überfliegt die Titel.
    Hat das Leben einen Sinn?
    Wahres Glück in sieben Schritten
    Finde deinen Weg!
    Dein Leben, dein Selbst
    Linette legt den Kopf schief. „Was denkst du?“
    „Ich weiß nicht.“
    „Du kannst ja mal so einen Persönlichkeitstest machen, wenn du willst. Geht schnell, halbe Stunde. Vielleicht klären sich deine Fragen dann. Und bestimmt wird auch deutlicher, was du hier lernen kannst. Wenn du dazu Lust hast.“
    Sie drückt Sten einen Flyer in die Hand.
    „Können wir jetzt gleich machen. Oder später. Wie gesagt: Unsere Tür ist immer offen. Überleg’s dir.“
    Nett. So was von nett.
    „Ich muss mal wieder los“, sagt Sten.
    „Komm jederzeit wieder!“ Sie nickt ihm zu. „Bass oder Gitarre?“
    Sten kapiert erst nicht.
    Sie deutet auf die Instrumententasche auf seinem Rücken.
    „Ach so, Bass. Genau. Bass.“
    „Cool!“, sagt sie.
    Schon, denkt Sten.

    Sten ist erleichtert, als er aus dem Haus tritt. Zum Glück hat sie nicht gemerkt, dass er nur auf der Suche nach Theo war.
    Gleichzeitig ist er enttäuscht. Er weiß selbst nicht, was er erwartet hat. Irgendwie scheint Theo kein richtiges Geheimnis zu haben. Er läuft halt hierher. Trinkt mit irgendwem Tee und labert über den Sinn des Lebens. Warum auch nicht? Billiger als das Teehaus ist der Tee hier bestimmt. Und gegrübelt hat Theo ja sowieso schon immer mehr als andere.
    Aber warum lässt er für einen Becher Tee und eine Stunde Wandanstarren die Band sausen? Das kann doch nicht die ganze Wahrheit sein.
    Sten schließt sein Rad auf. Irgendwas stinkt hier. Hat wohl irgendwo in der Nähe ein Hund hingekackt.
    Was verschweigt Theo?
    Sten will zurück durch die Stadt. Aber dann schiebt er sein Rad rüber, schlendert an Theos Mountainbike vorbei.
    Nicht dass Sten seinem Freund Probleme wünscht, aber eine Affäre mit einer Lehrerin, Knutschen mit Lea, sogar ein handfester Beutezug durch die Kaufhäuser der Stadt, wären ihm lieber gewesen. Nachvollziehbarer, dass Theo dafür die Proben sausen lässt. Aber Wahrheit und Sinn des Lebens?
    Behind the darkness und der Auftritt im Club 71.
    Darum geht es. Wozu braucht Theo da noch den Sinn des Lebens und Wahrheit? Scheiß auf Wahrheit! Hauptsache, es rockt.
    Sten sieht auf die Uhr. Halb sechs. Er schiebt sein Rad um die Ecke und setzt sich auf eine Bank am Straßenrand. Von hier aus beobachtet er Theos Rad und den Eingang vom Haus der Erkenntnis.
    Vielleicht fährt Theo ja nach seinem Kurs noch irgendwohin? Doch zu Lea?
    Alle, nur nicht die eine, denkt Sten.
    Das wäre auch eine gute Zeile für einen Refrain.
    Liebeslied. Zwei Freunde lieben dasselbe Mädchen. Die Freundschaft zerbricht. Er fummelt einen Zettel aus der Instrumententasche.
    Fängt an zu dichten. Ballade. Langsam.
    Untouchable touch.
    Uncatchable catch.
    Unloveable love.
    Ein Wort fliegt zum nächsten. Er hört schon die Melodien. Doch, doch, das könnte was werden. Auf Englisch. Klar. Sonst wäre es voll peinlich.

    „Sten, was machst du hier?“
    Shit. Theo steht plötzlich neben der Bank.
    Er sieht verwirrt aus. Ist der wütend? Oder fühlt er sich ertappt? Scheint er selbst nicht zu wissen.
    Sten steht auf. „Was machst du hier, das ist die Frage!“
    „Geht dich das was an?“, fragt Theo scharf.
    Paff!
    Da hätte er ihm auch gleich eine reinhauen
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