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Und morgen in das kühle Grab

Und morgen in das kühle Grab

Titel: Und morgen in das kühle Grab
Autoren: Mary Higgins Clark
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begegnet?«
Ich war mir nicht ganz schlüssig, was ich auf Sams
Frage antworten sollte. Die Tatsache, dass Lynn Hamilton
Spencer meine Stiefschwester war und Nick Spencer
somit mein Stiefschwager, war etwas, worüber ich nie
gesprochen hatte. Gleichzeitig hatte mich diese Tatsache
davon abgehalten, mich öffentlich oder privat über Genstone als Investitionsmöglichkeit zu äußern, weil ich das
Gefühl hatte, man würde das als Interessenkonflikt
ansehen. Leider hatte sie mich nicht davon abgehalten,
meinerseits für fünfundzwanzigtausend Dollar Aktien von
Gen-stone zu kaufen, weil mir Nicholas Spencer bei jenem
Dinner versichert hatte, dass es, wenn der Impfstoff erst
einmal das Krebsrisiko beseitigt haben würde, eines Tages
einen weiteren geben würde, der alle genetischen
Missbildungen ausschließen könnte.
Mein Baby ist noch am Tag seiner Geburt getauft
worden. Ich hatte es Patrick genannt, nach meinem
Großvater mütterlicherseits. Ich hatte diese Aktien als eine
Art Tribut im Gedenken an meinen Sohn gekauft. An
jenem Abend vor zwei Jahren hatte Nick gesagt, je mehr
Geld sie auftreiben könnten, desto schneller würden die
Testreihen mit dem Impfstoff abgeschlossen werden und
das Mittel zur Verfügung stehen. »Und natürlich werden
am Ende deine fünfundzwanzigtausend Dollar sehr viel
mehr wert sein«, hatte er noch hinzugefügt.
Dieses Geld waren meine Ersparnisse, die ich als
Anzahlung für den Kauf einer Wohnung verwenden
wollte.
Ich sah Sam an und lächelte, immer noch unschlüssig,
was ich ihm antworten sollte. Sams Haare schimmerten
grau. Er verwendete viel Mühe darauf, sich lang
gewachsene Strähnen über die kahl werdende
Schädeldecke zu kämmen. Schon oft war mir aufgefallen,
dass diese Strähnen verrutscht waren, so wie auch jetzt,
und als alter Kumpel musste ich mich zurückhalten, um
nicht zu sagen: »Gib’s auf. Die Schlacht gegen die Glatze
ist verloren.«
Sam ging auf die siebzig zu, seine babyblauen Augen
glänzten jedoch hellwach. Ansonsten hatte sein
koboldhaftes Gesicht nichts von einem Baby an sich. Er
war klug und ziemlich gerissen. Es wäre nicht fair
gewesen, ihm meine Verbindung zu den Spencers zu
verschweigen, aber ich würde zugleich darauf hinweisen,
dass ich Nick lediglich einmal und Lynn nur dreimal
gesehen hatte.
Seine Augenbrauen hoben sich, als ich ihn über die
Beziehung aufklärte.
»Auf mich macht sie den Eindruck einer ziemlich
abgebrühten Tussi«, sagte er. »Wie fandest du Spencer?«
»Ich hätte ihm auch die Brooklyn Bridge abgekauft. Ich
fand, dass er ein toller Typ ist.«
»Und was hältst du jetzt von ihm?«
»Du meinst, ob er tot ist oder den Absturz inszeniert hat?
Ich weiß es nicht.«
»Und was ist mit seiner Frau, deiner Stiefschwester?«
Ich merkte, wie ich innerlich zusammenzuckte. »Sam,
meine Mutter ist wirklich glücklich mit Lynns Vater, da
bin ich mir sicher, ansonsten würde sie eine unglaublich
gute Theatervorstellung abgeben. Die beiden nehmen
sogar gemeinsam Klavierstunden. Du hättest mal das
Konzert hören sollen, das die beiden für mich gegeben
haben, als ich letzten Monat ein Wochenende in Boca war.
Ich gebe zu, dass ich Lynn nicht besonders mochte, als ich
sie kennen lernte. Ich denke, dass sie sich jeden Morgen
eine Stunde lang im Spiegel betrachtet. Aber andererseits
habe ich sie bloß am Abend vor der Hochzeit erlebt, bei
der Hochzeit selbst und ein weiteres Mal, als ich im
letzten Jahr in Boca eintraf, während sie gerade kurz vor
der Abreise war. Also, tu mir bitte den Gefallen und nenn
sie nicht meine Stiefschwester.«
»Hab ich gespeichert.«
Die Bedienung brachte unsere Getränke. Sam nippte
genießerisch an seinem Glas und räusperte sich. »Carley,
ich habe läuten hören, dass du dich für die frei gewordene
Stelle bei unserem Magazin beworben hast.«
»Ja.«
»Wie kam es dazu?«
»Ich möchte für ein seriöses Wirtschaftsmagazin
schreiben, nicht bloß eine Kolumne verwalten, die im
Grunde genommen nichts anderes als Füllsel innerhalb
einer allgemeinen Sonntagsbeilage darstellt. Mein
eigentliches Ziel ist es, Reporterin bei der Wall Street
Weekly zu werden. Woher weißt du, dass ich mich
beworben habe?«
»Der große Boss, Will Kirby, hat sich über dich
erkundigt.«
»Und was hast du ihm gesagt?«
»Ich hab gesagt, du hättest einiges auf dem Kasten und
wärst für uns ein großer Gewinn im Vergleich zu dem
Knaben, der uns verlässt.«
Eine halbe Stunde
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