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Und morgen in das kühle Grab

Und morgen in das kühle Grab

Titel: Und morgen in das kühle Grab
Autoren: Mary Higgins Clark
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wollte. Ich bin sicher,
dass es eine Erklärung für die fehlenden Geldbeträge gibt
…«
Plötzlich kam ein Mann durch den Mittelgang gerannt.
Er wedelte mit einem Bündel Blätter, das aussah, als sei es
aus Zeitungen und Zeitschriften herausgerissen worden.
»Die Spencers auf ihrem Landsitz in Bedford«, rief er.
»Die Spencers Gastgeber bei einem Wohltätigkeitsball.
Ein lächelnder Nicholas Spencer, der gerade einen Scheck
für die New Yorker Obdachlosenhilfe unterschreibt.«
Leute vom Sicherheitsdienst packten den Mann an den
Armen, als er das Podium erreicht hatte. »Was glauben Sie
wohl, wo das ganze Geld hergekommen ist, hä? Ich
werd’s Ihnen sagen: aus unseren Taschen! Ich habe eine
zweite Hypothek auf mein Haus aufgenommen, um in Ihre
beschissene Firma zu investieren. Und möchten Sie
wissen, warum? Weil mein Kind Krebs hat, und ich habe
Ihrem Mann und seinem ganzen Gerede über den
Impfstoff geglaubt.«
Für die Presse waren die ersten Reihen reserviert
worden. Ich saß am Ende der Reihe zum Mittelgang hin
und hätte den Mann berühren können, wenn ich meinen
Arm ausgestreckt hätte. Er war um die dreißig, ein
stämmiger Typ, in Pullover und Jeans. Plötzlich verzog er
das Gesicht zu einer Grimasse und fing an zu weinen.
»Nun wird mein kleines Mädchen auch noch sein Zuhause
verlieren«, sagte er. »Ich werde das Haus verkaufen
müssen.«
Ich sah zu Lynn auf, und unsere Blicke trafen sich. Ich
war mir sicher, dass mein Gesicht nicht die Verachtung
verriet, die ich für sie empfand, aber das Einzige, woran
ich denken konnte, war, dass allein der Diamant an ihrem
Finger wahrscheinlich genug Wert besaß, um die zweite
Hypothek zurückzahlen zu können, wegen der ein
todkrankes Kind sein vertrautes Heim verlieren würde.
Die Versammlung dauerte nicht länger als vierzig
Minuten, in denen größtenteils herzzerreißende Klagen
von Leuten laut wurden, die alles verloren hatten, weil sie
ihr ganzes Geld in Gen-stone investiert hatten. Viele von
ihnen berichteten, sie seien zum Kauf der Aktien überredet
worden, weil ein Kind oder ein anderes Familienmitglied
an einer Krankheit litt, die möglicherweise mithilfe des
Impfstoffs hätte geheilt werden können.
Als die Menschen hinausströmten, notierte ich einige
Namen, Adressen und Telefonnummern. Dank meiner
Kolumne kannten viele meinen Namen und waren
begierig darauf, mit mir über ihre finanziellen Verluste zu
sprechen. Sie fragten mich, ob es meiner Meinung nach
irgendeine Chance gäbe, ihre Investitionen oder zumindest
einen Teil davon zurückzuerlangen.
Lynn hatte die Versammlung durch einen Seitenausgang
verlassen. Ich war erleichtert. Ich hatte ihr nach Nicks
Absturz einen kurzen Kondolenzbrief geschrieben und ihr
mitgeteilt, dass ich an der Trauerfeier teilnehmen wollte.
Bisher hatte noch keine stattgefunden; sie warteten noch
darauf, ob man seine Leiche entdecken würde. Inzwischen
fragte ich mich, wie fast jeder andere auch, ob Nick zum
Zeitpunkt des Absturzes tatsächlich in dem Flugzeug saß
oder ob er möglicherweise sein Verschwinden nur
geschickt inszeniert hatte.
Ich spürte eine Hand an meinem Arm. Es war Sam
Michaelson, ein Reporter und alter Hase von der
Zeitschrift Wall Street Weekly. »Komm, Carley, ich geb
einen aus«, bot er an.
»Mein Gott, das kann ich jetzt wirklich gebrauchen.«
Wir gingen hinunter in die Bar im Erdgeschoss, wo man
uns einen freien Tisch zuwies. Es war halb fünf.
»Ich habe eine eiserne Regel: Vor fünf Uhr trinke ich
keinen reinen Wodka«, erklärte Sam, »aber, wie du ja
weißt, ist es irgendwo auf der Welt im Augenblick bereits
fünf Uhr.«
Ich entschied mich für ein Glas Chianti. Normalerweise
würde ich Ende April bereits zum Chardonnay
übergegangen sein, den ich bei warmem Wetter
bevorzuge, aber nachdem die Versammlung bei mir ein
eisiges inneres Gefühl hinterlassen hatte, brauchte ich
etwas, um mich aufzuwärmen.
Sam gab die Bestellung auf und fragte dann
übergangslos:
»Also, was hältst du von der Sache, Carley? Meinst du,
dieser Kerl liegt irgendwo am Strand in Brasilien,
während wir hier miteinander reden?«
Ich gab ihm die einzig ehrliche Antwort: »Ich weiß es
nicht.«
»Ich habe Spencer einmal getroffen«, sagte Sam. »Ich
bin mir sicher, wenn er mir angeboten hätte, die Brooklyn
Bridge zu kaufen, wäre ich darauf eingegangen. Als
Verkäufer wirklich mit allen Wassern gewaschen, der
Mann. Bist du ihm je persönlich
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