Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und morgen in das kühle Grab

Und morgen in das kühle Grab

Titel: Und morgen in das kühle Grab
Autoren: Mary Higgins Clark
Vom Netzwerk:
später setzte mich Sam vor meinem
Haus ab. Ich wohne im ersten Stock eines umgebauten
alten Brownstones an der East 37th Street in Manhattan.
Ich ignorierte den Aufzug – er hat nichts Besseres verdient
als ignoriert zu werden – und benutzte die Treppe. Ich war
erleichtert, als ich die Tür aufsperrte und mich in meine
eigenen vier Wänden zurückziehen konnte. Ich fühlte
mich deprimiert, und ich hatte auch allen Grund dazu. Die
finanzielle Notlage all dieser Leute, die ihr Geld angelegt
hatten, war mir nahe gegangen, aber da war noch etwas
anderes. Viele von ihnen hatten diese Investition aus dem
gleichen Grund gemacht wie ich, weil sie dem
Fortschreiten einer Krankheit bei einem geliebten
Menschen Einhalt gebieten wollten. Für mich kam es zu
spät, aber als ich diese Aktien im Gedenken an Patrick
gekauft hatte, war ich mir durchaus bewusst gewesen, dass
ich auf diese Weise gewissermaßen versuchte, das Loch in
meinem Herzen zu stopfen, welches noch größer war als
dasjenige, das meinen kleinen Sohn getötet hatte.
Die Ausstattung meiner Wohnung stammt aus dem
Fundus meiner Eltern, aus dem Haus in Ridgewood, New
Jersey, in dem ich aufgewachsen bin. Da ich ihr einziges
Kind bin, konnte ich aus dem gesamten Bestand
auswählen, als sie nach Boca Raton umzogen. Ich ließ das
Sofa in einem kräftigen Blau neu beziehen, passend zu
dem Blau des alten Perserteppichs, den ich auf einem
Garagen-Flohmarkt erstanden hatte. Die Tische, die
Lampen und der Sessel gehörten schon zu meiner
vertrauten Umgebung, als ich noch das kleinste, aber
schnellste Kind der Basketball-Schulmannschaft an der
Immaculate Heart Academy war.
Ein Foto der Mannschaft hängt in meinem Schlafzimmer
an der Wand – ich bin diejenige, die den Ball in den
Händen hält. Wenn ich mir das Bild anschaue, sehe ich,
dass ich mich in vielerlei Hinsicht kaum verändert habe.
Die kurz geschnittenen dunklen Haare und die blauen
Augen, die ich von meinem Vater geerbt habe, sind noch
die gleichen. Nie ist es zu dem Wachstumsschub
gekommen, den meine Mutter mir immer vorausgesagt
hatte. Damals war ich etwa einen Meter dreiundsechzig
groß, und heute messe ich ganze einen Meter
zweiundsechzig. Leider ist von dem siegesgewissen
Lächeln nicht mehr viel übrig geblieben, das ich damals
auf dem Foto zur Schau trug, als ich noch glaubte, mir
würde die ganze Welt offen stehen. Es könnte mit der
Kolumne zusammenhängen. Ständig gebe ich mich mit
real existierenden Menschen ab, die vor real existierenden
finanziellen Problemen stehen.
Aber es gab noch einen anderen Grund, weshalb ich
mich an diesem Abend so leer und niedergeschlagen
fühlte.
Nick. Nicholas Spencer. Mochten die bekannt
gewordenen Beweise gegen ihn auch noch so überzeugend
sein, etwas in mir wehrte sich entschieden dagegen,
einfach zu glauben, was über ihn gesagt wurde.
Gab es eine andere Antwort auf den Fehlschlag mit dem
Impfstoff, das Verschwinden des Geldes, das
Flugzeugunglück? Oder gab es etwas in mir, das mich
besonders leicht auf engelszüngige Hochstapler
hereinfallen ließ, denen alle Menschen außer ihnen selbst
herzlich egal sind? Wie bei Greg, diesem totalen
Missgriff, den ich vor elf Jahren geheiratet hatte.
Als Patrick starb, nachdem er nur vier Tage zu leben
gehabt hatte, brauchte mir Greg nicht erst zu sagen, dass er
erleichtert war. Ich konnte es ihm ansehen. Es bedeutete,
dass er kein Kind am Hals haben würde, das auf ständige
Pflege angewiesen war.
Wir haben nie wirklich darüber geredet. Es gab nicht
viel zu sagen. Er erzählte mir, dass der Job, den man ihm
in Kalifornien angeboten habe, zu gut sei, um die Chance
auszulassen.
Ich erwiderte: »Lass dich von mir nicht aufhalten.«
Und das war’s dann.
All diese Gedanken zogen mich nur noch mehr herunter,
und so beschloss ich, früh schlafen zu gehen und am
nächsten Morgen den neuen Tag mit klarem Kopf
anzupacken.
Um sieben Uhr in der Früh weckte mich ein Anruf von
Sam. »Carley, schalt mal deinen Fernseher ein. Es läuft
gerade eine Nachrichtensendung. Lynn Spencer ist gestern
Nacht zu ihrem Haus in Bedford hinausgefahren. Jemand
hat es angezündet. Die Feuerwehr hat es geschafft, sie
rauszuholen, aber sie hat eine Menge Rauch eingeatmet.
Sie liegt jetzt im St. Ann’s Hospital, ihr Zustand ist ernst.«
Sobald Sam aufgelegt hatte, nahm ich die
Fernbedienung, die auf dem Nachttisch lag, zur Hand. Das
Telefon klingelte in dem Augenblick, als ich den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher