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Und keiner wird dich kennen

Und keiner wird dich kennen

Titel: Und keiner wird dich kennen
Autoren: Katja Brandis
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sie kann jetzt nicht weinen, das würde er falsch verstehen.
    »Wie gut, dass du mich damals gesucht und gefunden hast«, flüstert sie ihm zu. »Wenn du das nicht getan hättest ...«
    »Daran will ich gar nicht denken«, wispert Lorenzo. »Es gibt so viele verpasste Gelegenheiten im Leben ... aber manchmal hat man eben auch Glück ...«
    Glück? Hat sie Glück gehabt im Leben? Wenn Maja Lorenzo ansieht, dann steigt eine große Wärme in ihr hoch. Ja. Die furchtbare Zeit in Marburg ist Vergangenheit, ganz sicher ist sie das!, und Lorenzo ist ihre Zukunft. Noch nie hat sie jemanden getroffen, mit dem sie sich auf Anhieb so verstanden hat, mit dem sie so vieles teilen kann.
    Irgendwie spürt Lorenzo, dass ihr so einiges durch den Kopf geht, er stützt sich auf einen Ellenbogen und betrachtet sie nachdenklich. Doch Maja will jetzt kein Problemgespräch, sie will genießen, wie sie sich jetzt fühlt. Ganz und gar lebendig. Froh. Geborgen. Das ist ja wohl ein Zeichen, dass sie das Richtige getan haben, oder?
    Langsam verfliegt ihre andächtige Stimmung.
    »Gut, dass du deine Simpsons-Socken nicht anhattest«, murmelt Maja. »Die Dinger sind so albern, die hätten mich wahrscheinlich im letzten Moment noch abgetörnt.«
    Lorenzo grinst im Halbdunkel. »Ach, die hättest du mir doch in Sekundenbruchteilen vom Leib gerissen. Was hast du eigentlich heute gegessen? Was auch immer es war, wir müssen mehr davon kaufen.«
    »Ich hätte im Schullabor nichts von diesem neuen Wirkstoff probieren sollen«, frotzelt Maja.
    »Damit gewinnst du hundertpro bei Jugend forscht «, behauptet Lorenzo und streckt seinen durchtrainierten Körper. Kaum zu glauben, dass er als Kind dick gewesen ist und seine Mitschüler ihn »Klops« gerufen haben. Maja hat es erst geglaubt, als er ihr die Fotos gezeigt hat. Erkannt hat sie ihn nur an den Haaren, dem kleinen Grübchen im Kinn und dem Ausdruck in den Augen.
    Maja legt den Kopf auf Lorenzos sommersprossigen Bauch, sodass ihre langen Haare über seinen Körper strömen. »Na, dann drück mir mal die Daumen«, murmelt sie und küsst seine warme Haut. In Wirklichkeit experimentiert sie nicht mit neuen Wirkstoffen, sondern mit einem Warngerät, das einen darauf aufmerksam macht, wenn in der Küche zu viele Schimmelsporen herumfliegen.
    »Kannst du noch bleiben?«, fragt Lorenzo, sein Blick streift seinen Wecker. »Wie wär’s mit einem Snack? Später muss ich leider noch los. Dutzende von Pizzas warten darauf, ausgeliefert zu werden an lauter Leute, die nicht wissen, dass man am Abend keine Kohlehydrate mehr essen sollte.«
    Maja fällt ein, was sie daheim erwartet, und ihre Stimmung sackt ab. Sie schüttelt den Kopf. »Besser, ich bin zum Abendessen daheim. Meiner Mutter geht’s nicht so gut.«
    Lorenzo wirft ihr einen forschenden Blick zu, doch er fragt nicht nach. »Schade. Aber morgen sehen wir uns, oder?«
    »Ja, logisch«, antwortet Maja, und als sie ihn ansieht, kann sie ihr Glück kaum fassen. »Ach, übrigens, habe ich dir heute schon gesagt, dass ich dich liebe?«
    Auf seinem Gesicht geht die Sonne auf. »Hm, heute noch nicht, da bin ich mir ziemlich sicher.«
    »Ich liebe dich«, flüstert Maja, und Lorenzo küsst sie lange.
    Dann wirft sich Maja ein T-Shirt über und tappt auf bloßen Füßen zur Dusche.

Giftige Gedanken
    Unmöglich. Unmöglich, jetzt zu schlafen. So viel ist geschehen. Maja spürt den Gefühlen von vorhin nach, erinnert sich an Lorenzos Berührungen und lächelt in sich hinein. Ein bisschen wund fühlt sich ihr Körper an, aber das wird vorübergehen. Sie haben es getan. Endlich. Und ausgerechnet heute, nach diesem schrecklichen Brief. Total strange . Den richtigen Moment hat sie sich romantischer vorgestellt, irgendwie. Aber das hier ist eben die richtige Welt und nicht Hollywood ...
    Dieser Brief. Maja fragt sich, ob ihre Mutter jetzt ebenso wach liegt – wahrscheinlich schon. Fünf Tage. In fünf Tagen ist Robert Barsch frei, und was dann? Wie ein giftiger Dunst steigen die Erinnerungen in Maja hoch.
    Noch sind Mama und dieser Robert zusammen. Aber ich wundere mich über die vielen blauen Flecken, stammen die wirklich daher, dass Mama vom Fahrrad gefallen ist? In den ersten Monaten kam mir Robert so nett vor, aber dann hat er immer wieder Sachen gesagt, für die ich ihm am liebsten eine geknallt hätte – wieso lässt sich Lila das bieten, dass er sie Schlampe nennt? Ich glaube, sie hat Angst vor ihm. Robert will nicht, dass Mama Freunde hat, besonders
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