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Und keiner wird dich kennen

Und keiner wird dich kennen

Titel: Und keiner wird dich kennen
Autoren: Katja Brandis
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Mädchen, das irgendetwas anderes werden will als Lebensmittelchemikerin – jedes Mal fragt er sie ungläubig, ob sie das ernst meine. Und jedes Mal kommen daraufhin in Maja die Zweifel hoch, ob sie sich dieses lange und schwierige Studium wirklich zutraut. Da hilft es wenig, wenn Lorenzos selbstbewusste rothaarige Mutter Nelly ihr verschwörerisch zuzwinkert, als wolle sie sagen: So sind sie halt, die Männer. Und wenn die Großeltern da sind, dann ist alles noch schlimmer, irgendwann regt sich Lorenzos Nonna garantiert wieder über Lorenzos holpriges Italienisch auf.
    Doch heute sind sie allein. Lorenzo geht voraus in sein Zimmer, ein gemütliches Chaos aus Klamotten, Bibliotheksbüchern, die bestimmt längst überfällig sind, und selbst gebrannten Foto-CDs. Instinktiv geht Maja zum Fenster, schaut hinaus, kontrolliert wie schon zahllose Male zuvor, ob sie jemand Verdächtiges auf der Straße sieht. Nein, da ist niemand. Erschöpft presst sie die Stirn gegen die Fensterscheibe und fühlt, wie die Kälte in ihre Haut sickert.
    »Bleib so«, flüstert Lorenzo, und dann hört sie das satte Klack-Klack seiner digitalen Spiegelreflex. Schweigend zeigt er ihr die Bilder, und Maja staunt wieder einmal, wie hübsch sie auf Lorenzos Fotos aussieht. Vielleicht haben er und seine Kamera sich gemeinsam in sie verliebt, und die Bilder zeigen, wie Lorenzo sie sieht. Jedenfalls wirkt das Mädchen auf dem Bild wie eine verbannte Prinzessin und das sonst so hässliche graue Winterlicht legt einen Perlenschimmer auf ihr langes eichenholzfarbenes Haar.
    »Wir brauchen noch ein Motto für nächste Woche«, sagt Lorenzo, fährt seinen Laptop hoch und ruft Treibgut auf, ihren gemeinsamen Blog. Er fotografiert dafür, sie schreibt. »Diesmal bist du dran.«
    Maja weiß, dass er sie ablenken will, und ist ihm dankbar dafür. »Wie wär’s mit Frost und Asche ?« Es ist das Erste, was ihr in den Sinn kommt.
    »Wow, du bist ja wirklich gut drauf«, grinst Lorenzo. »Ja, okay. Ich hab schon ein paar Motive dazu im Kopf. Und du? Artikel, Anekdote, Kurzgeschichte?«
    »Vielleicht«, erwidert Maja. Am liebsten hätte sie so getan, als wäre alles in Ordnung, aber das ist furchtbar schwer. Und Lorenzo scheint es zu spüren. Er klappt den Laptop wieder zu und hockt sich im Schneidersitz auf sein Bett.
    »Komm her«, sagt er sanft, und sie geht zu ihm. Doch diesmal schmiegt sie sich nicht an ihn, um sich trösten zu lassen. Auf einmal ist es Wut, die sie fühlt, eine plötzliche heiße Wut auf die Welt. Sie küsst Lorenzo so heftig, dass er überrascht wirkt. Doch schon nach ein paar Momenten hat er sich darauf eingestellt, nimmt die Herausforderung an und küsst sie ebenso wild zurück. Wagemutig lässt Maja die Hände unter sein Kapuzen-Sweatshirt wandern, über die harten Muskeln seines Rückens, über seine glatte Brust, über die Ausbeulung in seiner Jeans. Sie zieht sich den Pullover und das Top über den Kopf, lässt beides auf den Boden fallen.
    Was ist los mit ihr? Ein halbes Jahr lang hat sie diesen Moment hinausgezögert und jetzt ist die Furcht davor einfach weg. Wahrscheinlich wird es wehtun – na und?
    Lorenzo steht nur noch einmal kurz auf, um die Tür seines Zimmers abzuschließen und in einer Schublade hektisch nach etwas zu kramen – aha, einem Kondom –, dann kehrt er zu ihr zurück. Seine Lippen tasten sich voran, gleiten über ihre Haut, berühren geheime Stellen ihres Körpers. Er wirkt ein klein wenig nervös, schaut immer wieder zu ihr hoch, wartet auf ein Stopp , das nicht kommt. Ein warmer Schauer rieselt durch Majas ganzen Körper, ihr Atem geht schnell.
    »So? Ist das gut so, oder ...?« Lorenzo hält kurz inne. »Ja, ja und ja«, flüstert Maja, sie will, dass er weitermacht, merkt er nicht, dass es ihr gefällt? Wieso hört er auf? Vielleicht, weil sie jetzt dran ist? Ihre Hände tasten sich vor und Lorenzo keucht auf. Maja streift ihren Slip ab und endlich kommen von Lorenzo keine Fragen mehr. Wo hört sein Körper auf und beginnt ihrer?
    Ja, es tut wirklich einen Moment lang weh und ist auch ziemlich schnell vorbei, aber das macht nichts. Ganz eng liegen sie beieinander und halten sich fest, nackt und verschwitzt unter der Daunendecke. Wow. Sie haben es getan. Sehr viel erwachsener als vorher fühlt Maja sich nicht, vielleicht kommt das noch.
    Lorenzo streicht über ihre Wange, lässt einen Finger über ihre Stirn, ihre Nase, ihr Kinn gleiten. So unsagbar zärtlich, dass Maja fast die Tränen kommen. Aber
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