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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Jenseits der Straße, in dunstverhangenen Feldern, lagen Gärtnereien. Den Besitzern gehörten wohl diese Geschäfte, die trotz Kälte und Winter geöffnet waren. Vermummte Männer und Frauen standen davor.
    Der Portier erboste sich immer noch am Telefon.
    »Eine Affenschande ist das! Der Herr wartet! Dann
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Sie die Karteikarte. Die kann ja nicht verschwunden sein!«
    Rasselnd, mit kreischenden Bremsen, kam nun ein Straßenbahnzug aus der Gegenrichtung vor dem Haupttor zum Stehen. Aranda las, was auf den Reklametafeln stand, welche Triebwagen und Anhänger an ihren Dächern trugen:
    SCHWECHATER  – RECHT HAT ER !
    Die Bahn setzte sich ratternd wieder in Bewegung. Was ist SCHWECHATER ? überlegte Aranda. Wie weit von Buenos Aires bin ich entfernt? Fliegen Sie zurück, hat der Hofrat gesagt. Aber ich fliege nicht zurück. Auf keinen Fall. Das habe ich ihm klargemacht. Da gab er dann nach. Ich muß wissen, wie es geschehen ist, warum sie es getan hat, wer ihr den Auftrag …
    »Sie, Herr!«
    Aranda drehte sich schnell um, und da waren wieder das Schwindelgefühl und die Angst, zu stürzen. Der alte, gutmütige Portier stand im Eingang seiner Loge.
    »Ich hab Sie schon zweimal …« Er schluckte. »Ist Ihnen nicht gut? Sie schauen so blaß aus. Wollen Sie einen Schnaps?«
    »Nein, danke. Nun?«
    »Jetzt weiß ich es.« Der Pförtner blinzelte, seine geröteten Augen tränten. »Die Frau Steinfeld liegt im Abschnitt F 74. Wie sie begraben worden ist, vorgestern, da haben sie da sicherlich den Schnee weggeschaufelt, daß man hat gehen können. Aber was ist inzwischen heruntergekommen! Allein letzte Nacht! Da wird alles wieder dick zugeschneit sein, ganz bestimmt! F 74, das liegt aber ganz weit draußen, schon fast am anderen Ende. Laufen tun Sie da glatt eine halbe Stunde.«
    »Ich habe einen Wagen. Darf man …«
    »Nur auf den Hauptalleen! Kostet aber fünf Schilling.«
    Aranda legte einen 20-Schilling-Schein in die ausgestreckte Hand des Mannes.
    »Ich danke, Herr Baron!« Der Pförtner riß einen Zettel von einem Block. »Hinten sind die Gruppen aufgedruckt.« Er sprach Aranda jetzt direkt ins Gesicht. Also doch kein Bier in der Flasche, dachte dieser und trat etwas zurück. »Wenn Sie bei der 74er ankommen – entschuldigen Sie einen Moment, bittschön!« Des Pförtners Gesicht hatte sich plötzlich erhellt, während er an Aranda vorbeiblickte. Seine Stimme wurde heiter: »Endlich! Ich hab mir direkt schon Sorgen gemacht!«
    »Zuerst konnte ich nicht rechtzeitig weg, und dann ist zwei Kilometer von hier plötzlich mein Wagen stehengeblieben«, sagte eine weibliche Stimme.
    Manuel Aranda wandte den Kopf diesmal langsamer, um das Schwindelgefühl zu vermeiden. Hinter ihm stand eine Frau von etwa dreißig Jahren und seiner Größe. Aranda sah ein ebenmäßiges, ernstes Gesicht, eine kleine Nase und einen schönen Mund. Das Haar, das unter einem fest geknüpften Kopftuch hervorschaute, war kastanienbraun. Die junge Frau hatte zu viel Puder und Schminke aufgelegt. Sie trug eine sehr große dunkle Brille mit runden Fassungen. Ihre Augen blieben dadurch unsichtbar. Stiefel und Mantel waren aus Seehundfell.
    »Guten Tag«, sagte die junge Frau. Aranda verbeugte sich stumm.
    »Was war denn mit dem Auto?« forschte der Pförtner. Die junge Frau erfreute sich seiner Sympathie. Er empfand Verbundenheit mit ihr. Vor zwei Tagen war sie, unter einem Schwächeanfall taumelnd, in seine Loge gekommen und hatte um ein Glas Wasser gebeten. Sie wollte irgendein stärkendes Medikament schlucken, das sie bei sich trug, und während sie danach ein paar Minuten wartete, bis ihr besser wurde, hatte sie sich mit ihm unterhalten.
    »Die Benzinpumpe«, antwortete sie jetzt. »Ihre Membran ist brüchig geworden in der Kälte. Also mußte ich den Wagen abschleppen lassen. Das dauert vielleicht eine Ewigkeit, bis jemand hier herauskommt! Dann habe ich die Elektrische genommen.« Die junge Frau hob die Schultern und wies mit dem Kinn zur anderen Straßenseite. »Aber jetzt hat der Steinmetz drüben geschlossen. Auf einer Tafel steht, man soll hier nachfragen.«
    Der Rotnasige dienerte eifrig.
    »Hat in die Stadt müssen, der Herr Ebelseder. Aber hat es mir herübergebracht für den Fall, daß Sie doch noch kommen. Bezahlt haben Sie es schon, sagt er.« Der Pförtner stockte. »Ja, nur zum Tragen ist es doch viel zu schwer – den weiten Weg, meine ich.«
    »Ich nehme ein Taxi. Da drüben stehen ein paar.«
    »Das geht natürlich …«
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