Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und Freunde werden wir doch

Und Freunde werden wir doch

Titel: Und Freunde werden wir doch
Autoren: Sabine Jörg
Vom Netzwerk:
Treuherzig fragt er: »Kommst du morgen wieder hierher, so um drei Uhr?«
    Da verspricht Sandra: »Ja, ich komme.«
    Als Sandra die Wohnungstür aufschließt, liegt ihre Mutter auf dem Balkon in der Sonne. Ein Glück, denkt Sandra, und verschwindet leise in ihrem Zimmer. Sie wirft sich aufs Bett, schließt die Augen und versucht, das Durcheinander in ihrem Kopf zu ordnen.
    Was ist bloß mit Ronni los? Wo treibt der sich rum? Vielleicht arbeitet er, damit seine Mutter nicht mehr putzen gehen muß. Die Wohnung von denen ist ja wirklich ärmlich. Möbel vom Sperrmüll, Geschirr wie für einen Polterabend. Könnte doch sein, daß Ronni seiner Mutter heimlich Geld in die Börse steckt. Tagsüber arbeitet er in einem Lager oder einem Supermarkt, und abends tut er so, als käme er von einem Freund.
    Ronni hat gar keinen Freund, in der Klasse jedenfalls nicht. Die sind alle genauso gemein wie die Wimmer: »Dein Deutsch dürfte nun langsam besser werden«, oder: »Mach dir bloß keine Hoffnungen, aus dir wird sowieso nichts.« Daß Ronni sich das gefallen läßt! Mit anderen Kindern könnte die Wimmer nicht so umspringen. Da stünden gleich die Eltern auf der Matte. Vielleicht hat Ronni eine Erfindung gemacht. Er ist in Physik ja ganz gut. Jetzt probiert er seine Erfindung in einem Versteck aus, und dann geht er zum Patentamt und meldet sie an. Sehr reich wird er, weil alle seine Erfindung haben wollen. - Ach, Quatsch, das glaube ich nicht, das hätte er bestimmt seinem Bruder erzählt. Hoffentlich petzt Felipe nicht. Wenn Felipe seinen Eltern Bescheid sagt, dann kriegt Ronni Ärger. Und ich bin dran schuld!
    Das Telefon klingelt. Sandra springt auf und läuft in den Flur. Ihre Mutter schaut vom Balkon herein: »Ach, du bist schon da? Guten Tag kannst du wohl auch nicht mehr sagen? Wir beide müssen heute noch ein ernstes Wort miteinander sprechen!«
    Sandra steht vor dem Telefon, die Hand am Hörer. »Entschuldigung«, sagt sie zu ihrer Mutter, und dann hebt sie ab und meldet sich: »Sandra Körner.«
    Am anderen Ende ist Hanna. Ihre Stimme klingt enttäuscht: »Wo bleibst du? Seit einer Stunde warte ich auf dich!« Auweia, Sandra hat Hanna völlig vergessen. Das tut ihr leid. Was soll sie nur schnell sagen? »Hanna, ich erkläre dir das morgen.«
    »Kommst du nicht mehr?« Hannas Stimme ist richtig traurig.
    Alles, was Sandra jetzt zu Hanna sagt, hört ihre Mutter mit. Das weiß Sandra, und deshalb entgegnet sie beschwörend: »Hanna, leider geht das nicht. Glaube mir, ich erkläre es dir morgen.«
    »Na, tschüs, dann«, antwortet Hanna und legt auf. Sandra hat einen Kloß im Hals. Sie fühlt sich elend. Ihre beste Freundin hat sie im Stich gelassen, und gleich wird sie auch noch ihre Mutter belügen.
    Sandra versucht Zeit zu gewinnen. Irgend etwas muß sie sich einfallen lassen, wie sie ihrer Mutter vielleicht doch noch alles erklären kann. Aber die Mutter steht schon neben der Tochter und versperrt ihr den Weg. »Was hat das alles zu bedeuten?« will sie wissen. »Was ist los mit Hanna?«
    »Hanna... Hanna wollte nur noch was fragen.« Sandras Stimme zittert.
    »Was wollte sie fragen?«
    Und nun ist es zu spät für Sandra, noch ehrlich zu sein. Sie rettet sich mit den Hausaufgaben: »Hanna hatte eine Frage wegen Mathe.« Das klingt wenig überzeugend. Sandra spürt es selbst. Um ihrer Mutter nicht ins Gesicht sehen zu müssen, beschäftigt sie sich mit einem Faden an ihrer Jacke.
    »Hattet ihr nicht genug Zeit heute nachmittag, das zu besprechen?«
    »Doch, eigentlich schon.« Sandra fühlt sich wieder stärker und phantasiert nun drauflos: »Hannas kleiner Bruder wollte ununterbrochen mit uns spielen. Sonst haben wir kaum was gemacht.«
    »Was gab es denn zu Mittag?«
    Sandra schluckt. »Tort... Ach, wie heißen diese Dinger? Pfannkuchen, ja.«
    Zum Glück klingelt es. Das ist Sandras Vater, der jeden Tag pünktlich um Viertel nach fünf aus dem Büro kommt. Dann trinkt er zwei Tassen Tee und ißt einige Scheiben Weißbrot. Später machen die Eltern noch einen kleinen Spaziergang, und dann beginnt der Fernsehabend...
    Sandra begrüßt schnell ihren Vater. Dann geht sie zu ihrem einzigen Vertrauten, den sie noch hat: zu Mucki. Mucki bekommt frisches Stroh und Futter. Damit ist Sandra erst einmal beschäftigt.

3

    Die Linie 16 fährt vom Gondrellplatz bis zur Neurieder Straße und wieder zurück. Sie gehört zu den Straßenbahnen, die sich gegenüber Bussen und S-Bahnen behaupten konnten und nicht ins Depot verwiesen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher