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und ein Hund mit Herzklopfen

und ein Hund mit Herzklopfen

Titel: und ein Hund mit Herzklopfen
Autoren: Usch Luhn
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Mutter, sondern Kassi. Sie stürzt auf mich zu und klebt mir eine. Ich bin schlagartig ruhig und verharre wie angewurzelt mitten in meinem Wuttanz.
    „Spinnst du?“, sage ich. Aber es kommt gar kein richtiger Ton aus meinem Hals, sondern nur heiseres Gekrächze.
    Vom Küchenschrank krächzt es begeistert zurück. Herr Schiller fliegt in einem eleganten Bogen auf mich zu, landet auf meinem Kopf und breitet seine Flügel über mir aus wie einen Hut.
    Momente später schnappt meine Mutter mich und legt mich mit einem Karategriff mitten auf dem Küchenboden flach. „Hol eine Decke, Kassi“, befiehlt sie. „Deine Schwester hat eine posttraumatische Attacke. Vermutlich hat sie Papas Tod nie verarbeitet. Irgendetwas hat diesen Anfall hier gerade ausgelöst. Leider habe ich keinen blassen Schimmer, was.“
    Mir ist auf einmal so kalt, dass meine Zähne klappern. Dabei brennt die Sonne bereits wieder knallheiß durch die Fensterscheiben. Kurz bevor ich ein Eiszapfen werde, bringt Kassia die Decke und Mama verschnürt mich darin wie ein Paket. Dann kocht sie Kamillentee und flößt ihn mir löffelweise ein.
    „Alles wird gut“, flüstert sie mir ins Ohr. „Alles wird gut.“
    Ich bin auf einmal sehr müde, dabei bin ich doch gerade erst aufgestanden. Obwohl ich es nicht will, fallen mir die Augen zu.
    Und während Mama immer noch mantramäßig „Alles wird gut“ in mein Ohr flüstert, schlafe ich tatsächlich ein.
    Als ich wieder aufwache, sitzen alle auf dem Fußboden um mich herum und streicheln irgendwelche Körperteile von mir.
    „Wir haben dich alle total lieb, Maxie“, sagt Jule mit weinerlicher Stimme und Kassia zwinkert mir ermutigend zu.
    Paula hält meine Hand und knutscht die ganze Zeit darauf herum und selbst Daisy hat ihren Kopf ausnahmsweise einmal ganz ruhig und friedlich auf meinem Bauch abgelegt und winselt leise vor sich hin. Ihr Schädel ist so schwer wie ein Mehlsack und ich kriege kaum Luft.
    Ich kann mir nicht helfen: Ein bisschen komme ich mir vor wie bei meiner eigenen Beerdigung. Mir ist höllisch heiß unter meiner Decke. Ich schiebe Daisy zur Seite und setze mich abrupt auf.
    „Geht es dir wieder besser, Schnecke?“, fragt Mama mit zärtlicher Stimme.
    „Klar“, sage ich.
    „Du hast uns allen einen ganz schönen Schrecken eingejagt.“ Sie legt ihre Hand prüfend auf meine Stirn. „Alles normal“, diagnostiziert sie zufrieden und lächelt erleichtert. „Aber schwimmen solltest du heute lieber nicht gehen. Sicher ist sicher.“
    Kassia nickt zustimmend, setzt ihren Ich-weiß-du-bist-ein-Alien-aber-es-macht-mir-nichts-aus-Blick auf und wiederholt: „Sicher ist sicher.“
    Mir fällt schlagartig wieder ein, dass sie mir eine runtergehauen hat, und ich sage anklagend: „Du hast mir eine geschallert. Total mies von dir. Das kriegst du irgendwann zurück, darauf kannst du wetten.“
    Sie lächelt mich besänftigend an. „Ach, Schwesterchen, das war doch ein Notfall. Habe ich mal im Fernsehen gesehen, als jemand in einer Serie genau so einen Nervenzusammenbruch hatte wie du vorhin und Mama sagt auch, das war genau richtig.“
    Ob es richtig ist oder nicht, seine eigene Schwester zu schlagen, will ich nicht gerade jetzt ausdiskutieren. Ich schätze mal, meine Nervenzusammenbruch-Bewacher sind mit ihren Gegenargumenten in der Überzahl.
    Mein Bauch knurrt, als wäre Weltuntergang. „Wenn ich nicht sofort Frühstück kriege, sterbe ich wirklich“, sage ich ruppig und springe auf.
    „Ich auch!“, brüllt Jule begeistert und setzt sich erwartungsvoll auf ihren Platz.
    Und dann gibt es ein grandios leckeres Frühstück mit allem Drum und Dran.
    „Nervenzusammenbruch?“, sagt Jonas eine Weile später ungläubig. „Du lässt echt nichts aus.“
    Kassia hat ihm Bescheid gesagt, und nun sitzen wir am Küchentisch und schauen zu, wie Jonas die Reste unseres Frühstücks in sich hineinschaufelt. Jule macht inzwischen freiwillig Lukas-Dienst. Ausnahmsweise muss nicht Eddy herhalten, sondern sie misten gemeinsam die Kaninchenställe aus. Mama ist in ihrer Praxis und hält Nagetier-Sprechstunde. Also können wir offen miteinander reden.
    „Ja“, ergänzt Paula. „Maxie hat irgendwas mit der Post.“
    Kassia schaut Paula herablassend an. „Nicht Post. Posttrauma “, sagt sie und lässt das Fremdwort auf der Zunge zergehen. „Das bedeutet, Maxie hat ihre miesen Gefühle verdrängt, als Papa gestorben ist, und jetzt hat sie sie plötzlich doch. Deshalb durfte ich ihr eine runterhauen.
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