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Und die Großen lässt man laufen

Und die Großen lässt man laufen

Titel: Und die Großen lässt man laufen
Autoren: Per Wahlöö Maj Sjöwall
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du nachgedacht, Benny?« fragte er.
    »Nicht so sehr viel«, erwiderte Skacke vorsichtig. »Diese Geschichte scheint mir irgendwie unbegreiflich zu sein.«
    »Unbegreiflich ist das richtige Wort«, sagte Mänsson.
    »Was für ein Motiv könnte es beispielsweise geben?«
    »Ich glaube, wir sollten uns bis auf weiteres einen Dreck um das Motiv scheren und uns lieber auf den Tathergang konzentrieren.« Das Telefon klingelte. Skacke machte eine Notiz.
    »Der Mann, der Palmgren erschoß, hatte nur eine äußerst geringe Chance, sich nach der Tat unbemerkt aus dem Restaurant zu entfernen. Sein Verhalten bis zu dem Augenblick, in dem der Schuß fiel, deutete auf Fanatismus hin.«
    »Etwa wie bei einem politischen Attentat?«
    »Genau. Aber danach? Was geschieht? Wunderbarerweise entkommt der Kerl und handelt jetzt nicht mehr wie ein Fanatiker, sondern wie ein Mensch, der von Panik ergriffen ist.«
    »Ist das der Grund für deine Annahme, daß er versuchen wird, die Stadt zu verlassen?«
    »Unter anderem. Er betritt den Speisesaal und schießt und denkt nicht daran, wie es hinterher weitergehen soll. Aber dann, wie bei den meisten Gewaltverbrechern, überfällt ihn Panik. Er kriegt es mit der Angst zu tun und will nichts wie weg, so schnell und so weit wie möglich.«
    Das ist eine Theorie, dachte Skacke. Noch dazu eine, die ziemlich auf Sand baut. Er sagte aber nichts.
    »Dies ist natürlich nur eine Theorie«, ließ Mänsson sich vernehmen.
    »Ein guter Kriminaler sollte möglichst nicht mit Theorien arbeiten. Im Augenblick sehe ich aber nicht, wonach wir sonst vorgehen könnten.«
    Das Telefon klingelte. Was für ein Job, dachte Mänsson. Scheißjob. Und dabei habe ich dienstfrei.
    Die Nacht wurde insofern ärgerlich, als sich eigentlich nichts ereignete Ein paar Menschen, die in etwa der Täterbeschreibung entsprachen, wurden auf den Ausfallstraßen angehalten, einige am Hauptbahnhof aufgegriffen. Keiner schien etwas mit dem Fall zu tun zu haben, aber ihre Personalien wurden vorsichtshalber aufgenommen.
    Zwanzig Minuten vor eins verließ der letzte Zug den Hauptbahnhof. Viertel vor zwei teilte die Polizei in Lund mit, daß Palmgren noch am Leben sei Um drei kam eine neue Nachricht aus der gleichen Quelle. Frau Palmgren habe einen Schock erlitten, und es sei äußerst schwierig, sie zu vernehmen. Sie habe den Schützen deutlich gesehen, sei aber sicher, ihn vorher nie gesehen zu haben.
    »Scheint auf Draht zu sein, dieser Knabe in Lund«, bemerkte Mänsson und gähnte.
    Kurz nach vier meldete sich wieder die Polizei in Lund. Das Ärzteteam, das Palmgren behandelte, habe sich entschlossen, bis auf weiteres nicht zu operieren. Die Kugel sei hinterm linken Ohr in den Schädel gedrungen, und man könne unmöglich sagen, welche Verletzungen sie verursacht habe. Der Allgemeinzustand des Patienten, hieß es weiter, sei den Umständen entsprechend. Mänssons Allgemeinzustand entsprach ebenfalls den Umständen. Er war müde und hatte eine sehr trockene Kehle. Immer wieder ging er auf die Toilette, um Wasser in sich hineinzuschlürfen.
    »Kann man eigentlich mit einer Kugel im Kopf leben?« fragte Skacke.
    »Ja«, erwiderte Mänsson. »Dafür gibt es Beispiele. In einigen Fällen wird die Kugel vom Gewebe eingekapselt, und der Patient wird gesund. Hätten die Ärzte in diesen Fällen versucht, die Kugel operativ zu entfernen, wären die Patienten vermutlich gestorben.« Backlund schien sich im Savoy offensichtlich festgebissen zu haben, denn um halb fünf rief er an und sagte, er habe einige Räumlichkeiten abgesperrt und versiegelt, damit das kriminaltechnische Dezernat den Tatort untersuchen könne, was allerdings erst in einigen Stunden möglich sei.
    »Er fragt, ob er hier gebraucht wird«, sagte Skacke und hielt die Hand vors Mikrofon.
    »Der einzige Ort, an dem er hoffentlich überhaupt gebraucht wird, ist der Platz neben seiner Frau im Bett«, sagte Mänsson.
    Skacke gab das in etwas abgewandeltem Wortlaut weiter. Kurz darauf meinte er: »Ich glaube, Bulltofta können wir streichen. Die letzte Maschine ist fünf nach elf gestartet. Sie hatte keinen Fluggast an Bord, der der Beschreibung entsprochen hätte. Die nächste startet um halb sieben, und die ist schon seit vorgestern ausgebucht. Auf der Warteliste ist niemand.«
    Mänsson brütete kurz über dieser Nachricht. »Hm«, meinte er schließlich. »Ich glaube, ich werde jetzt eine Person anrufen, von der ich definitiv weiß, daß sie es nicht schätzt, nachts geweckt zu
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