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und der Geisterzug

und der Geisterzug

Titel: und der Geisterzug
Autoren: Astrid Vollenbruch
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lohnte es sich bei so wenig Passagieren nicht, Essen oder Getränke anzubieten.
    »Seht euch das an!« Peter wies auf ein kleines Loch in einem der Stützbalken an der Schwingtür zur Küche. »Das sieht aus wie ein Einschussloch!«
    »Und hier!«, rief Bob. »Vergoldete Armaturen, die wie kleine Pistolen aussehen! Will dein Onkel eigentlich auch den Zug kaufen, Just?«
    Justus lachte. »Zumindest hat er Tante Mathilda fast zum Herzinfarkt getrieben, als er sagte, wir hätten da am Zaun den perfekten Platz für eine alte ausrangierte Dampflok. Aber wahrscheinlich müssen wir uns mit alten Schildern, Fahrplänen und quietschenden Sitzbänken begnügen.«
    Auch der dritte und der zweite Waggon waren menschenleer. An der Tür zum vordersten Abteil blieben die drei Jungen stehen. Dort hing ein Schild: ›Geschäftliche Besprechung. Bitte nicht stören.‹ Justus spähte durch das Glasfenster. Die vier Mitreisenden saßen einander gegenüber. Auf dem Tisch in der Mitte stand ein aufgeklappter Aktenkoffer. Er stand wie eine Wand zwischen ihnen, und der Mann und die Frau dahinter hatten sich in die Polster zurückgelehnt, als fühlten sie sich von ihm bedroht. Beide waren ungefähr vierzig Jahre alt, hatten aber schon graue Haare und sahen aus, als hätten sie ihr Leben lang nur Niederlagen eingesteckt. Von dem Mann, der die offene Seite des Koffers vor sich hatte, konnte Justus nur einen braunen Anzug und eine breite Schulter erkennen. Seine Stimme drang als undeutliches Gemurmel durch die Scheibe, und er schlug mit der geballten Faust mehrmals auf sein Knie, während er sprach. Den dritten Mann neben ihm auf dem Fenstersitz konnte Justus von seinem Platz aus nicht sehen.
    Justus drehte sich zu Peter und Bob um. »Gehen wir zurück.«
    Bob öffnete gerade die Abteiltür zum zweiten Waggon, als die Tür hinter ihnen aufgerissen wurde. Sie fuhren herum. Der Mann im braunen Anzug stand vor ihnen und schnauzte sie an: »Wer seid ihr? Was schnüffelt ihr hier herum?«
    Justus fing sich als Erster. »Wir sind Fahrgäste wie Sie«, erwiderte er höflich. »Wir möchten uns das Museum in Harrowville ansehen. Und jetzt suchen wir Fred Jenkins, den Schaffner. Wir hätten nämlich gerne etwas zu trinken. Haben Sie ihn gesehen?«
    »Nein, habe ich nicht«, blaffte der Mann ihn an. »Und jetzt haut ab!« Er warf die Tür ins Schloss und zog den Vorhang am Fenster so heftig zu, dass er fast abriss.
    »Reizender Zeitgenosse«, kommentierte Peter. »So hilfsbereit und menschenfreundlich! Aber was ist jetzt mit unserer Cola?«
    Justus runzelte die Stirn. »Und wo ist Fred? Er ist nach vorne gegangen und nicht wieder zurückgekommen.«
    »Und er sagte doch ausdrücklich, er wolle sich um die anderen Passagiere kümmern«, ergänzte Bob. »Außer diesen vier feinen Herrschaften und uns ist doch niemand im Zug!«
    »Doch!«, sagte Justus. »Die vierzehn Prozent. Unmittelbar vor der Abfahrt ist noch ein Mann zugestiegen. Ich habe ihn nur kurz gesehen. Er war mittelgroß und ziemlich dünn, hatte schwarze glatte Haare, trug ein Sonnenbrille, einen dunklen Anzug und schwarze Schuhe.«
    »Und hatte auf der rechten Schulter ein Muttermal, das genau so aussieht wie eine Karte von Ohio«, spottete Peter. »Nur kurz gesehen, dass ich nicht lache! Wahrscheinlich hast du sogar erkannt, bei welchem Schneider er seinen Anzug gekauft hat.«
    »Nein«, gab Justus gelassen zurück. »Der Anzug sah eher schäbig aus. Und er hatte kein Gepäck.«
    »Wird ein Museumsbesucher sein und sitzt jetzt wahrscheinlich auf dem Klo«, sagte Bob. »Können wir jetzt endlich zurückgehen und nach Fred suchen? Ich habe keine Lust, mich noch einmal anbrüllen zu lassen.«
    Sie machten sich auf den Rückweg. Im dritten Waggon packte Peter Justus plötzlich am Arm. »Hört ihr das? Das Krachen?«
    »Das kam aus dem Speisewagen«, sagte Justus. »Kommt!«
    Sie rannten los und stürmten in das Restaurant. Aber hier war alles so leer und still wie zuvor. Doch gleich darauf hörten sie wieder das Krachen – diesmal hinter ihnen. Peter drehte sich um und lachte. »Bob, du hattest Recht mit dem Klo! Da ist einer drauf!«
    »Das schon«, sagte Justus. »Aber er scheint ziemlich dringend wieder rauszuwollen.«
    Bob klopfte gegen die Toilettentür. »Hallo? Gibt’s Probleme?«
    Ein Wutgebrüll antwortete ihm. »Ihr verdammten Mistkerle! Ich dreh euch den Hals um! Lasst mich hier raus!«
    Verblüfft sahen die drei Jungen einander an. Die Stimme gehörte eindeutig dem jungen Schaffner
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