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Und dann kam Ute (German Edition)

Und dann kam Ute (German Edition)

Titel: Und dann kam Ute (German Edition)
Autoren: Atze Schröder
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fetttriefende Chorizo-Stullen.
    Dann suchte ich den Rucksack verzweifelt nach essbaren Alternativen ab. In einer Seitentasche fand ich ein altes Raider. Raider! So hieß doch Twix vor zwanzig Jahren! Ich versuchte den antiquierten Schokoriegel aufzureißen, dabei zerbröselte er. Hastig kramte ich in den vorderen Rucksackfächern und stieß auf eine schmal gerollte Zigarette. Vorsichtig roch ich daran. Kein Zweifel – das war allerfeinstes Thai-Gras, eine der besten Marihuana-Sorten überhaupt. Wenn das kein Zeichen war! Wie heißt es doch so schön? Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Ich roch noch mal an dem Zeug. Irgendwie kam mir das vor wie ein Déjà-vu … wie kam der Sticky in den Rucksack? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Helga außer ihren Mentholzigaretten noch andere bewusstseinserweiternde Substanzen zu sich nahm. Außer Eierlikör vielleicht.
    Dann fiel mir plötzlich wieder alles ein: Den Sticky hatte ich bei meinem letzten Besuch in Las Palmas im Februar 2008 in der Hippiekneipe «San Francisco» von einem vertrauenswürdigen Alt-68er geschenkt bekommen, weil er mich mit meinem wilden Lockenkopf für die weiße Wiedergeburt von Jimi Hendrix hielt. Der Typ war die Härte! Er hatte die ganze Freaknummer drauf: Stirnband um die verfilzte, ergraute Zottelmähne, Palästinensertuch um den Hals, dreißigtausend Lederarmbänder am Arm, bunte Batikklamotten, Jesus-Latschen und die obligatorischen Zahnstumpen im Mund. Mit verschwörerischer Miene hatte mir dieser wettergegerbte Vollbart-Zottel noch ins Ohr geflüstert: «Sei vorsichtig mit diesem Joint. Vergiss nicht Purple Rain, Jimi! Nur einen Zug zu viel, und du öffnest die Büchse der Pandora.»
    Was blieb mir anderes übrig, als dieses von Gott gegebene Zeichen zu akzeptieren? Ich nahm mein altes Zippo-Sturmfeuerzeug und entzündete den Sticky mit dem thailändischen Gras ehrfürchtig. Respektvoll inhalierte ich den ersten Zug. Sofort meldete sich der Nichtraucher in mir: Bah, das schmeckte auch nicht besser als eine Lord Extra. Ich hustete in die klare Bergluft und nahm direkt den nächsten tiefen Zug. Ich musste lachen. Jimi Hendrix, Purple Rain – ja nee, is’ klar! Sonst noch was? Dass diese alten Hippies auch immer so schrecklich übertreiben müssen. Büchse der Pandora. Was für ein Quatsch. Wenn ich mal einen Wodka Red Bull trinke statt Pils, kippe ich ja auch nicht gleich um. Lächerlich. Beherzt nahm ich noch einen dritten Zug und machte mich gutgelaunt auf den Heimweg. Ich lief und lief und lief. Mein Gott, ich lief wie irre, aber ich kam aus diesem verdammten Tal einfach nicht mehr raus. Alle Wege drehten sich im Kreis und führten mich immer wieder zum Ausgangspunkt. Es war wie verhext! Als ich zwei Stunden gelaufen war, brach ich vor Erschöpfung fast zusammen. Der Schweiß lief mir in Strömen über das Gesicht, und ich japste kurzatmig nach Luft.
    Ich setzte mich ins Moos, lehnte mich an einen Baumstamm und versuchte, ruhig zu atmen. Das Herz hörte auf zu rasen, und ich bekam wieder etwas Luft in meine Lungen. Ich hatte auf einmal einen Riesenschmacht. Ein Königreich für eine Leberwurstkniffte und eine ordentliche Portion dänischen Gurkensalat! Hätte ich doch bloß eine von den Chorizo-Stullen gegessen. Aber hinterher ist man ja immer schlauer. Gerade als ich wieder aufstehen wollte, um weiterzulaufen, hörte ich plötzlich eine vertraute Stimme über mir:
«You’re my heart, you’re my soul.
You can win, if you want,
Geronimo’s Cadillac.
Brother Louie-Louie-Louie,
if you want it, you can win.»
    Verwundert schaute ich nach oben. Ich traute meinen Augen nicht, aber es gab keinen Zweifel: Da oben in der Baumkrone saß Thomas Anders in einem schneeweißen Overall auf einem dicken Ast. Um den Hals trug er eine schwere goldene Atze-Kette. Seine Frisur saß perfekt, und obwohl es mittlerweile sehr windig geworden war, rührte sich kein Haar in seiner seidigen Mähne. Gütig lächelnd schaute er auf mich herunter. Offenbar erwartete er eine Antwort von mir. Völlig entgeistert sagte ich: «Thomas, was soll der Mist? Komm da runter, du erkältest dich noch!»
    Er nickte seltsam, sprang mir mitten ins Gesicht, und ich verlor das Bewusstsein. Nach einer gefühlten Ewigkeit erwachte ich mit einem Brummschädel, schaute auf die Uhr und stellte fest, dass erst fünfzehn Minuten vergangen waren. Ich raffte mich auf, nahm meinen Rucksack und stiefelte nach Hause, Richtung «Las Rebajas».
    Was zur Hölle war das gewesen? Eine
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