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Und dann kam Ute (German Edition)

Und dann kam Ute (German Edition)

Titel: Und dann kam Ute (German Edition)
Autoren: Atze Schröder
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hatte.
    Elisabeth Volkmann und Brigitte Mira mussten als schwarze Nymphomaninnen dem halbnackten, völlig enthemmten und durchgeknallten Rasputin, gespielt von Herbert Fux, zu Willen sein. In letzter Sekunde war es dem Intendanten gelungen, Dunja Rajter als wunderschöne, strahlend blonde Zarentochter Anastasia zu verpflichten. Ein Husarenstreich, ein Sensationscoup!
    Dunja Rajter war damals aus den Winnetou-Filmen und durch ihre Ehe mit dem legendären Bandleader Les Humphries bekannt. Sie hatte Hits wie «Joschi war ein Zigeuner» und «Chiribi, chiriba, chiribu» gesungen. Mit einem Wort: Frau Rajter war heißer als Lady Gaga, Rihanna und Andrea Berg zusammen.
    Das gesamte Ruhrgebiet stand kopf, die Presse überschlug sich vor Begeisterung. Die Sache hatte nur einen Haken: Frau Rajters prachtvolle Löwenmähne war so schwarz wie des Bischofs klerikale Seele. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion musste die rassige Schönheit von kroatischem Schwarz auf Petersburger Zarenblond umlackiert werden. Kein Fall für einen Feld-, Wald- und Wiesenfriseur. Man entschied, dass Helga das haarige Problem lösen sollte. Und noch bis zum Verkauf ihres allseits beliebten Salons vor fünf Jahren hing darin an prominenter Stelle ein Foto der etwas irritiert dreinblickenden Dunja Rajter, hinter ihr die strahlende Helga Wachowiak. Darunter prangte der selbstentworfene Werbespruch «Ein Traum wird Haar».
    Mit 65 brach Helga alle Trockenhauben hinter sich ab, verkaufte den Salon und erfüllte sich ihren Lebenstraum: Sie zog nach Gran Canaria in die Sonne. Als ich sie und ihren verbeulten Rimowa-Alukoffer zum Düsseldorfer Flughafen fuhr, schluchzte sie: «Junge, wer kümmert sich jetzt bloß um deine Locken? Versprich mir, mich einmal im Jahr zu besuchen, damit ich weiß, dass ich auch wirklich nichts verpasse!» Ich versprach es ihr hoch und heilig. Dann verabschiedete ich mich hastig, damit sie mich nicht mit ihren Abschiedstränen ansteckte. Mensch, Helga. Tolle Frau, feiner Kerl.
    Helgas Wohnung konnte allerdings nicht sofort weitervermietet werden. Zwanzig Jahre hatte sie täglich mehrere Packungen Marlboro Menthol ins Mauerwerk gehaucht. Nach einer gemeinsamen Besichtigung der leeren Wohnung brachte es Gomera-Gerd messerscharf auf den Punkt: «Heftig, Alter!»

    Und dann zog Ute ein.

[zur Inhaltsübersicht]
    2.
    Der Einzug
    E s war ein goldener Oktobertag. Die morgendliche Herbstsonne strahlte mild und honigsüß durch die schon prachtvoll verfärbten Blätter der altehrwürdigen Kastanie vor unserem Haus. Der Herbst zeigte sich von seiner allerbesten Seite, ein letztes «Au revoir» des verrückten Sommers 2007. Ich schlenderte vom Kiosk nach Hause, eine große Tüte Brötchen und die neue Metal Hammer unterm Arm. Ich freute mich auf ein leckeres Frühstück mit Leberwurst und einer ordentlichen Portion dänischen Gurkensalats. Das alte Kopfsteinpflaster in unserer Straße schimmerte speckig, die Kastanienblätter leuchteten bunt, und ab und zu grüßte ich einen Rentner im Vorgarten.
    «Morgen, Atze! Wat macht die Kunst? Alles palante?», rief der alte Kowalski. Ich nickte ihm zu und rief: «Willi, du alter Maulwurf, wat gräbste denn da unter … doch nicht deine Gerda?» Der Alte lachte und drohte mir spielerisch mit der Faust. Herrlich. Ich atmete tief durch und genoss die frische, klare Morgenluft.
    Ich nahm mir vor, ein paar Tage die Beine hochzulegen. Und zwar die von Vanessa, Jackie oder dieser kleinen Wildkatze Mandy, die sich in meiner Garderobe nach dem letzten Open-Air-Auftritt im Hamburger Stadtpark so geschickt beim Öffnen meiner Jeans angestellt hatte. Ich fingerte das Handy aus der Hosentasche und wählte ihre Nummer. Nach langem Klingeln nahm sie endlich ab. Ich legte sofort los: «Hallo, meine kleine Moosrose, du Blüte meiner …» Weiter kam ich nicht. Eine abgrundtiefe Stimme bellte: «Ich mach dich kalt, du miese Ratte … Mandy, ist das der Typ?» Geschockt legte ich auf. Mein Gott, immer diese kleinkarierte Eifersucht! Warum schickt denn wohl die Pusteblume so viele Pollenfallschirme in die Natur? Natürlich um möglichst viele Löwenzahnfreundinnen zu beglücken. Na also. Tief betrübt über so viel Unverständnis tippte ich eine SMS an Vanessa. Aber außer «Ich liebe nur dich» fiel mir nichts ein, weil der Lärm in unserer Straße jeden klaren Gedanken verhinderte.
    Was war denn da los? Vor unserem Haus stand mitten auf der Straße ein verbeulter Europcar-Sprinter, aus dem unter viel Getöse und
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