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Und dann der Tod

Und dann der Tod

Titel: Und dann der Tod
Autoren: Iris Johansen
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des Priesters. »Es spielt keine Rolle.
    Er braucht es nicht mehr.«
    Bess schaute den Priester an.
    Rico hatte recht. Der Priester war tot.
    »Welches ist der nächste Ort von hier aus?«
    »Besamaro. Vierzig Meilen.«
    »Ich möchte, daß Sie nach Besamaro fahren und die Gesundheitsbehörden anrufen. Sagen Sie ihnen, daß es hier ein Problem gibt. Versuchen Sie, sich möglichst von allen fernzuhalten. Sie sind vielleicht auch infiziert.«
    Rico starrte immer noch mit wutverzerrter Miene auf den Priester hinab. »Er hat meine Mutter umgebracht. Er und sein ganzes Gerede von ruhmreicher Armut und Demut.« Er trat heftig gegen die neben Pater Juan liegende Sammelbüchse, die über den Boden schlitterte und unter einer Kirchenbank liegenblieb. »Ich bin froh, daß er tot ist.«
    »Sie werden vielleicht bald auch tot sein, wenn Sie keine Hilfe holen«, zischte Bess. »Sie sind jung. Wollen Sie sterben, Rico?«
    Das kam bei ihm an. »Nein, ich fahre nach Besamaro.«
    Er verließ die Kirche, und kurz darauf hörte sie, wie der Jeep aufheulte.
    Wahrscheinlich hätte sie ihn nicht wegschicken sollen.
    Womöglich verbreitete er die Seuche. Aber was hätte sie sonst machen sollen? Sie konnten nicht alleine mit diesem Alptraum fertig werden.
    Die Augen des Priesters waren offen und starrten sie an. Tod.
    So viel Tod und Schrecken. Zitternd stand sie da. Sie mußte zu Emily. Emily brauchte sie vielleicht.
    Um nach noch mehr Toten zu suchen. Nein, sie suchten nach Lebenden, das mußte sie sich ins Gedächtnis rufen. Es könnte ja noch Leben geben an diesem grauenhaften Ort.
    Die Sonne ging bereits unter, als sie auf der obersten Stufe der Treppe stehenblieb. Rot wie Blut. Rot wie der Tod.
    Sie sackte auf der Stufe zusammen und schlang ihre Arme um sich. Ihr war eiskalt, und sie war machtlos gegen das Zittern.
    Gleich würde sie zu Emily gehen. Sie wollte einfach nur einen Moment ganz mit sich allein sein. Sie brauchte die Zeit, um sich für die kommende Nacht zu wappnen und genauso stark zu sein wie Emily.
    Würden diese Hunde denn nie aufhören zu heulen?
    Danzar.
    Das hier war nicht Danzar. Und wenn doch?
    Die Toten. Ein Dorf, abgeschnitten von der Außenwelt. In Danzar hatte die Guerilla als allererstes die Telefonleitungen gekappt.
    Aber Tenajo lag nicht im vom Krieg gebeutelten Kroatien. Es war ein kleines mexikanisches Dorf am Ende der Welt. Es gab keinen Grund, es zu zerstören.
    Aber hatte es in Danzar einen Grund dafür gegeben?
    Hör auf damit. Alles nur Vermutungen. Du mußt das hier nicht tun.
    Aber wer sollte es sonst tun? Wenn ihre Instinkte ihr nun recht gaben? Sollte sie sich einfach abwenden und weggehen?
    Vielleicht ein paar Fotos.
    Für alle Fälle.
    Langsam stand sie auf und nahm ihre Kamera aus der Jacke.
    Plötzlich empfand sie tiefes Vertrauen, das Gefühl, es richtig zu machen. Nur ein paar Fotos, und dann würde sie zu Emily gehen.
    Für alle Fälle.
    Die Frau, die am Brunnen lag und mit blinden, toten Augen in den Himmel starrte.
    Scharf stellen.
    Abdrücken.
    Weitermachen.
    Der Kellner in der Taverne.
    Scharf stellen.
    Abdrücken.
    Die alte Frau, die zusammengekrümmt neben einem Rosenbusch in ihrem Garten lag.
    Tot. So viele Tote.
    Fotografierte sie immer noch? Ja, der Verschluß klickte wie von selbst.
    Sie wollte aufhören. Sie konnte nicht aufhören.
    Gott, zwei kleine Jungen, die zusammen in einer Hängematte lagen. Sie sahen aus, als schliefen sie.
    Sie taumelte auf das Haus zu und übergab sich. Sie lehnte sich an eine Mauer und preßte ihre kalte Wange gegen die von der Sonne aufgeheizten Ziegel. Ein Schauer nach dem anderen schüttelte ihren Körper.
    Es schien nur so, als wäre die ganze Welt tot. Aber sie lebte.
    Emily lebte. Halt dich an dieser Wahrheit fest.
    Sie würde ihre Schwester suchen und ihr helfen. Sie würde vorgeben, genauso stark und tapfer zu sein wie Emily.
    Emily durfte nicht merken, wie verängstigt sie war.
    Emily war nicht im Haus von Ricos Mutter.
    Nein, natürlich hatte sie nicht gewartet, bis Bess zurückkam.
    Sie tat weiter ihre Arbeit. Keine Schwäche. Kein Zaudern.
    Bess ging hinaus auf die Straße. Mittlerweile war es dunkel.
    »Emily.«
    Schweigen.
    Sie ging einen Häuserblock weiter, und noch einen.
    »Emily.«
    Die Hunde jaulten. Gehörte einer von ihnen dem kleinen Jungen im Laden?
    Nicht darüber nachdenken. Es ist leichter, wenn du dich nicht an sie als Individuen erinnerst. Das hatte sie nach Danzar begriffen. »Emily.«
    Wo steckte sie? Bess bekam es
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