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Und dann der Tod

Und dann der Tod

Titel: Und dann der Tod
Autoren: Iris Johansen
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bestraft. Sie rannten auf ihn zu, und er hatte Angst, sie könnten ihn anstecken.«
    Er hatte keine Angst gehabt. Und sie war von ihm weggelaufen, nicht auf ihn zu. »Ich war nicht krank. Er hat mich bewußtlos geschlagen.«
    »Richtig, nachdem Sie wieder aufgewacht waren, merkte er, daß Sie krank waren. Sie haben geschrien und waren außer sich.
    Er mußte Ihnen eine Spritze geben und brachte Sie hierher.
    Erinnern Sie sich nicht mehr?«
    »Natürlich erinnere ich mich nicht. Doch wenn er Ihnen gesagt hat, ich sei krank gewesen, dann hat er gelogen.«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Ich sage Ihnen doch, er hat mich angegriffen. Und womit hätte ich ihn denn anstecken sollen? Was ist in Tenajo geschehen?«
    »Cholera. Ein besonders aggressiver Typus.«
    »Sind Sie sicher? Emily meinte, die Symptome seien –«
    Panische Angst überfiel sie. »Emily. Wo ist meine Schwester?
    Ist sie auch krank?«
    »Ja. Ihr geht’s zwar nicht ganz so gut wie Ihnen, aber sie wird bald auf dem Weg der Besserung sein.«
    »Ich möchte sie sehen.«
    »Das ist nicht möglich«, sagte er leise. »Sie sind zu krank.«
    »Ich bin nicht krank. Mir geht’s gut.« Es war eine Lüge. Sie fühlte sich benommen und träge. »Und ich möchte meine Schwester sehen.«
    »Morgen oder übermorgen.« Er zögerte. »In der Zwischenzeit möchte ich Sie um einen Gefallen bitten. Sie können sich vorstellen, welche Panik entstehen würde, wenn Nachrichten herauskämen über das, was in Tenajo passiert ist, bevor unsere Ermittlungen abgeschlossen sind.«
    »Wollen Sie damit sagen, daß Sie es verheimlichen wollen?«
    fragte sie entsetzt.
    Er machte ein erschrockenes Gesicht. »Natürlich nicht. Wir brauchen nur ein bißchen Zeit. Wir haben Wasserproben entnommen und sie zum Zentrum für Seuchenbekämpfung gesandt. Sobald wir die Ergebnisse haben, können wir die geeigneten Maßnahmen ergreifen.«
    Wahrscheinlich war das sinnvoll. Schadensbegrenzung war üblich in Regierungs- und Militärkreisen. Estebans Bitte war daher eigentlich nichts Ungewöhnliches. Vielleicht war sie ja wirklich krank gewesen und war bloß paranoid.
    Esteban hatte gesagt, sie hätten Wasserproben genommen. Sie hatte aber gesehen, wie etwas in den Brunnen hinein geschüttet worden war. Und wenn die mexikanische Regierung einen Umweltfrevel begangen hatte und nun versuchte, ihn zu vertuschen? »Und was erwarten Sie von mir?«
    Er lächelte. »Nicht sehr viel. Lediglich, daß Sie sich für ein paar Tage in Geduld üben und schweigen. Ist das zuviel verlangt?«
    »Vielleicht. Ich möchte meine Schwester sehen.«
    »In einigen Tagen.«
    »Ich möchte sie jetzt sehen.«
    »Seien Sie doch vernünftig. Sie sind beide noch nicht gesund genug.«
    Bess verspürte eine leichte Übelkeit, dennoch versuchte sie, einen kühlen Kopf zu bewahren. Daß sie Emily nicht sehen durfte, konnte zweierlei bedeuten. Entweder waren Emily und Josie entkommen, oder Emily wurde gefangengehalten.
    »Ich möchte mit jemandem von der amerikanischen Botschaft sprechen.«
    Er lachte mißbilligend auf. »Sie scheinen sich Ihrer Situation nicht bewußt zu sein. Sie sind sehr krank und nicht in der Verfassung, Besuch zu empfangen.«
    »Ich bin nicht krank, und ich möchte jemanden von der amerikanischen Botschaft sprechen.«
    »Alles zu seiner Zeit. Sie müssen wirklich Geduld haben.«
    Er ging zur Tür und öffnete sie. »Es ist Zeit für Ihre Spritze«, sagte er über die Schulter.
    »Spritze?«
    »Sie brauchen Ruhe. Schlaf ist heilsam.«
    Bess erstarrte, als ein Soldat im weißen Kittel mit einem Spritzenbesteck den Raum betrat. »Ich brauche keinen Schlaf.
    Ich bin eben erst aufgewacht.«
    »Aber Schlaf macht weise«, erwiderte Esteban.
    »Ich brauche keinen –«
    Sie zuckte zusammen, als die Nadel in ihren rechten Arm eindrang.
    Die nächsten vierundzwanzig Stunden verloren sich im Nebel.
    Sie erwachte, schlief ein. Sie erwachte wieder. Ab und zu kam Esteban, um nach ihr zu sehen. Dann war sie wieder allein.
    Emily, wo war Emily bloß? Sie mußte sie finden …
    Wieder die Nadel.
    Und Dunkelheit.
    Esteban stand über sie gebeugt. Er war nicht allein.
    Dieses harte Gesicht, diese blauen Augen, die gefühllos auf sie hinabstarrten – sie kamen ihr bekannt vor. Kaldak. Der Mann aus Tenajo. Der, der sie niedergeschlagen hatte. Esteban hatte behauptet, er sei disziplinarisch bestraft worden, aber das war gelogen. Dieser Mann würde so etwas nicht mit sich machen lassen.
    »Sie können es nicht länger hinauszögern«,
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