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Umwege zum Glück

Umwege zum Glück

Titel: Umwege zum Glück
Autoren: Berte Bratt
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Vorschuß-Geburtstagsgeschenk, oder nur so. Wie Du willst. Es ist verboten und sehr riskant, Geld so zu schicken, ich bete nur, daß der Brief nicht durchleuchtet wird, dann ist es nämlich Essig!
    Es geht uns wunderbar hier. Wien ist ein Märchen. Aber denk bloß nicht, daß ich den ganzen Tag rumwandern kann und Schlösser und Kunstwerke besichtigen! Erstens habe ich ja Hausfrauenpflichten, ich koche hinter einem Vorhang im Flur und wasche ab in unserem Schlafzimmerwaschbecken. Zum Glück ist Kai nicht wählerisch – er ißt mit Appetit die äußerst einfachen Gerichte, die ich zusammenschmurgele. Weißt du, wir waren so glücklich, als wir diese beiden möblierten Zimmer zu einem erschwinglichen Preis bekamen, daß wir sie trotz fehlender Küche nahmen. Wir wohnen so herrlich zentral, das bedeutet ja sehr viel für meinen fleißigen Göttergatten. Er ist den ganzen Tag unterwegs mit Kassettenrekorder und Photoapparat und hat schon sehr viele interessante Reportagen gemacht. Abends wird das Aufgenommene redigiert, und dann ist es meine Pflicht, das Redigierte per Schreibmaschine aufs Papier zu bringen.
    Ja, und dann hat er immer Post vom norwegischen und dänischen Rundfunk zu beantworten, dabei kann ich ihm ja leider nicht helfen.
    Aber wir haben es unsagbar schön, und ich danke dem lieben Gott, daß ich damals im Krankenhaus anfing, an die liebe Inge in Norwegen zu schreiben. Ohne diese Korrespondenz hätte ich meinen Kai nie kennengelernt. Nicht auszudenken, daß er womöglich jemand anders geheiratet hätte und ich vielleicht auch! Wo es doch sonnenklar ist, daß wir für einander geschaffen sind!
     
    Wie geht es nun dir, Schwesterchen? Arbeitest du fleißig? Weißt du, es ist möglich, daß Kai und ich zu Weihnachten nach Hirschbüttel kommen, Kai hat in Hamburg etwas mit seinem Verleger zu besprechen. Vielleicht können wir das Nützliche mit dem Angenehmen kombinieren. Das wäre was!!
    Ich muß aufhören! Ich habe weder Kartoffeln noch Kaffee im Haus, ich muß zum Kaufmann rennen und laufe dann schnell zum Postamt und schicke dies als Eilbrief. Also, Renilein, nicht vergessen: Brahms, Klavierkonzert Nummer 2! Tausend liebe Grüße, Deine
     
    Leni
     
     
    Ich faltete den Brief wieder zusammen. Nichts geht über eine gute Schwester! Ich starrte verliebt auf den Fünfzigmarkschein. Die Platte würde höchstens 25 kosten. Fünfundzwanzig Mark – ach nein, das Porto, Eilpäckchen, also 2 Mark –, 23 Mark konnte ich zu meinem Vermögen dazuaddieren. Ich war ja plötzlich reich! Ich konnte zum Beispiel jetzt sofort zum Automaten an der Ecke laufen und mir eine Tafel Schokolade holen!
    Nach zehn Minuten saß ich wieder an meinem Tisch, studierte die Knöchel der Hand und knabberte Nußschokolade. Zwischendurch liefen meine Gedanken nach Wien. Ich freute mich so schrecklich für Madeleine. Wie hatte sie vor Glück gestrahlt an ihrem Hochzeitstag voriges Jahr! Es war eine so schöne Hochzeit, nur die Familie und unsere allernächsten Freunde. Ich war Brautjungfer. Erich Eller, unser Arzt und Freund, hatte die beste Rede des Abends gehalten, Mutti mußte natürlich ein paar Tränchen der Rührung wegtupfen – so sind ja die Mütter.
    Ach, wie hatte sich alles schön für Madeleine gefügt! Kai hatte sein philologisches Staatsexamen, Madeleine das Abitur hinter sich gebracht. Und zwei Monate danach war Kai beim norwegischen und zugleich beim dänischen Rundfunk als Auslandskorrespondent angestellt worden und konnte heiraten. Die beiden flogen dann raus in die weite Welt, und ein Jahr später war ich an der Reihe, mich selbständig zu machen. Mutti brachte mich nach Kiel – oder vielmehr, ich brachte sie, denn wir fuhren in meinem Theodor, und sie mußte brav mit der deutschen Bundesbahn zurückfahren.
    Schon am ersten Tag hatte ich Jessica kennengelernt, und wir mochten uns gleich gern. Sehr gern sogar. Jessica kam aus Süddeutschland, fühlte sich wohl fremd hier im Norden und war froh, daß sie gleich eine Norddeutsche als Freundin bekam. Wir verbrachten öfters den Abend zusammen. Nur donnerstags nicht. Donnerstags war Jessica immer bei ihrer Patentante zum „Freßabend“, wie sie sich ausdrückte. So ein Glückspilz! Wenn sie von dem Donnerstagsessen erzählte, lief mir das Wasser im Mund zusammen! Wenn ich bloß auch so eine Patentante hätte!
    Nein, woran dachte ich – ich mußte doch lernen!

Die arme Frau Hansen!
     
     
    „Kommst du mit eine Schallplatte kaufen?“ fragte ich Jessica und hielt ihr
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