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Umwege zum Glück

Umwege zum Glück

Titel: Umwege zum Glück
Autoren: Berte Bratt
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Wenn Manfred dagewesen wäre! Wer weiß, vielleicht hätte er William, den Vater von vier Kindern, retten können.
    Wir gaben über Funk Bescheid an das Krankenhaus in Nairobi, und Heiko flog gleich mit William los. Ich war mit. Ich saß neben William, ich sah, wie er jede Minute matter wurde, ich hielt seine Hand, und ich versuchte die undeutlichen Worte zu verstehen, die er flüsterte. Ich mußte mein Ohr dicht an seinen Mund legen, und ich verstand nur drei Worte, die mühsam über seine Lippen kamen:
    „Chui – katika – mtego – “
    Leopard in Falle – das war es, was er mir erzählen wollte. Dann flüsterte er etwas über Frau und Kinder – „mke“ – „watoto“ – dann fielen seine Augen zu. Ich sagte ihm, er solle sich keine Sorgen machen, wir würden uns um die Familie kümmern. Ich weiß nicht, ob er es gehört hat. Ich bildete mir ein, daß ich einen ganz, ganz schwachen Händedruck fühlte.
    Dann wurde es still, und Williams Lippen wurden blaß, und sein liebes, schwarzes Gesicht war ganz unbeweglich.
    Als wir in Nairobi landeten, wo der Krankenwagen bereit stand, war William tot.
    Reni, verstehst du, daß ich zwei Tage geheult habe?
    Ein Mann, ein guter, wertvoller Mensch, tat seine Pflicht. Er war Wildwart aus Überzeugung, er liebte die Natur, er liebte sein Land mit dessen Tierreichtum. Erlebte glücklich mit seiner Frau und vier Kindern. Er war erst zweiunddreißig, ein junger, nützlicher Mensch, ein durch und durch guter Mensch.
    Irgendein Unbekannter, ein Mann, der Geld braucht und weiß, daß er ein paar tausend Schilling für ein Leopardenfell kriegen kann, ein gewissenloser Schuft steht in Gefahr, erwischt zu werden. Er sieht William kommen – und er schießt und trifft William in die Brust!
    Demnächst wird irgendeine reiche Dame, vielleicht in Europa, das Fell von diesem Leoparden tragen. Die Frau eins reichen Mannes, der damit angeben will: Seht bloß, wie weit ich es gebracht habe, ich kann meine Frau in die teuersten Felle hüllen!
    Diese Frau ist nicht nur ein Tierquäler. Sie ist eine Mörderin! Ja, ich möchte es ihr ins Gesicht schreien: Sie Mörderin! Sie haben schuld, daß vier Kinder vaterlos geworden sind. Sie sind schuld an den Tränen einer verzweifelten jungen Witwe! Denn es sind Williams Frau und seine Kinder, die das Fell bezahlt haben, es ist William, der es bezahlt hat mit seinem Leben.
    Entschuldige mich, Renilein. Es tat gut, dies loszuwerden. Aber ich fühle mich so verzweifelt machtlos. Was kann ich tun – was soll ich bloß tun?
    Kito kommt grade und legt ihren Kopf auf meinen Schoß. Ich zittere um sie. Seit einiger Zeit lasse ich sie im Zwinger, und dann fahren wir mit ihr raus, lassen sie laufen, behalten sie aber immer im Auge und rufen sie zurück. Allein darf sie keine Ausflüge machen. Oh, die verdammten Fallen und Drahtschlingen!
    Wir führen ein sonderbares Leben. Aber ich würde mit keinem Menschen auf der Welt tauschen. Du wirst dasselbe erleben, Reni. Eines Tages wirst du auch irgendwo in einem entlegenen Dorf sitzen, du wirst einen überarbeiteten Mann haben, du wirst selbst schuften und kämpfen und Menschenleben retten, und mitten in Arbeit und Kampf gegen Krankheit und Tod wirst du fühlen, daß du mit niemandem tauschen möchtest. Du wirst wissen, daß du eine Lebensaufgabe hast, zusammen mit dem Mann, den du liebst.“
    Muttchen rief mich zum Abendbrot. Ich warf einen Blick in das Fernsehprogramm, schaltete den Apparat ein und gleichzeitig das Tonbandgerät. Wenn es interessante Fernsehsendungen gibt, nehme ich immer den Ton auf, damit Manfred wenigstens den hört, auch wenn ich ihm nicht das Bild aufheben kann!
    Aber das kommt ja noch, erfunden ist es schon, es muß nur billiger werden!
    „Was gibt es, Reni?“ fragte Muttchen.
    „Ein Programm über Raubkatzen. Eine neue Folge in „Sterns Stunde.“
    Die Sendung war hochinteressant. Dies hätte Sonja sehen müssen – und Heiko – ach was, sie konnten die herrlichen Tiere ja in der freien Natur sehen.
    Da wurde auch etwas über die Leopardenfelle gesagt! Ich horchte auf.
    Ja – daß jetzt ein internationales Übereinkommen über eine absolute Schonzeit besteht – und daß der Schwarzhandel zugenommen hat. Zuletzt wurden ein paar Zeilen aus einem Brief vom Direktor der Nationalparks in Kenya vorgelesen. Nachher war ich froh, daß ich das Tonbandgerät angeschlossen hatte. Dann konnte ich den Schluß wieder und wieder spielen, bis ich ihn auswendig konnte:
    „Das Schmerzlichste ist
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