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Umwege zum Glück

Umwege zum Glück

Titel: Umwege zum Glück
Autoren: Berte Bratt
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eine bis zwei Schokoladetafeln pro Tag.
    Das Auto? Nein, das kostete wirklich nicht viel. Steuern und Versicherung zahlte Papa direkt. Ich brauchte nur für Benzin, Öl und Pflege aufzukommen. Bis jetzt hatte ich keine großen Ausgaben damit gehabt. Es war ein alter VW, der lange seine Pflichten als Vertreterwagen in Papas Fabrik erfüllt hatte. Dann fand Vati, daß dieser Vertreter einen größeren Wagen verdient hatte, und ich bekam den VW als Dank und Anerkennung, weil ich wirklich das Abitur schaffte, und letzten Endes sogar ganz gut – minus Mathematik natürlich. Trotz hohen Alters und einer stattlichen Zahl zurückgelegter Kilometer lief der Wagen ausgezeichnet, und ich liebte ihn heiß und innig. Da ich auch eine gewisse technische Begabung habe, konnte ich ihn ganz gut pflegen. Und wenn er zu dreckig wurde, mußten Jessica und ihr Freund Falko mir helfen.
    Dann wurde gewaschen, geputzt, poliert, Staub gesaugt, bis mein guter alter Theodor seine ganze Jugendfrische wiederhatte.
    Dafür durfte Falko ihn sehr oft borgen!
    Nein, mein Theodor hatte wenig Geld gekostet.
    Also waren es nur die Stiefel – ach nein; die Schallplatten! Und wenn ich es mir überlegte – zweimal hatte ich keine Lust auf das Mensaessen gehabt und Jessica in ein teures und feines Restaurant eingeladen – und dann waren da die Kinokarten – und die Reparatur des Tonbandgerätes, es war ja an einem Tanzabend runtergefallen – o ja, es läpperte sich schon zusammen!
    Es blieb mir nur eins übrig. Ich mußte dividieren: 23,14 durch 10 – das gab – das gab – 2,31. Zwei Mark einunddreißig Pfennig durfte ich pro Tag verbrauchen, von heut bis zum Dreißigsten! Welch Glück, daß der November nur 30 Tage hat!
    Nun ja. Zu verhungern brauchte ich nicht. Nur keine Schokolade gab es und keine anderen Leichtsinnigkeiten! Ich legte das Portemonnaie in die Tasche und konzentrierte mich auf die Knöchel der menschlichen Hand.
    Das Klingeln der Türglocke riß mich aus meinen wissenschaftlichen Studien. Ach so, nur einmal, dann war es für Frau Hansen und nicht für mich. Also, wie weit war ich nun: Daumen heißt pollex, Zeigefinger index – das war ja logisch, index, indizieren, das würde ich schon behalten – Mittelfinger…
    „Herein!“
    Es hatte geklopft. Da stand Frau Hansen mit einem Brief in der Hand.
    „Eilbrief für Sie, Fräulein Thams. Luftpost, aus Österreich. Von Ihrer Schwester!“
    So, dachte ich, du hast dir aber reichlich Zeit gelassen, den Brief zu studieren, du möchtest wohl auch durchs Kuvert lesen können, so wie ich dich kenne, du neugierige Ziege!
    „Tausend Dank, Frau Hansen, es tut mir leid, daß der Briefträger bei Ihnen geklingelt hat…“
    „Oh, das macht gar nichts. Er hat wohl Ihre Karte nicht gesehen, es ist ja dunkel im Flur.“
    Das stimmte wohl. Denn sonst konnte man meine angepiekste Karte mit „Irene Thams, 2 X klingeln“ gar nicht übersehen.
    „Hoffentlich ist es nichts Schlimmes“, sagte Frau Hansen und sah erwartungsvoll aus.
    „Das ist es bestimmt nicht“, antwortete ich und legte den Brief neben mich, obwohl ich zum Platzen gespannt war. Wenn sie dachte, ich würde ihn in ihrer Anwesenheit aufmachen und ihr womöglich etwas daraus vorlesen, dann hatte sie sich aber gründlich geirrt!
    „Na dann gute Nacht“ – sie gab offenbar ihr Vorhaben auf.
    „Gute Nacht, Frau Hansen! Ich habe noch zu lernen, ich muß weitermachen.“
    Kaum hatte sie die Tür hinter sich zugemacht, war schon der Brief aufgerissen. Nanu – da fiel ein Fünfzigmarkschein raus!
     
    „Liebste Reni, zu meinem Schrecken entdecke ich, daß es schon der Achtzehnte ist, und am Zweiundzwanzigsten hat Christel Geburtstag. Würdest Du wie immer ein Engelchen sein und mir ein Geschenk besorgen? Lauf in ein Schallplattengeschäft und kaufe – nein, nichts von dem, was Du mit Verzücken und hingerissen an der Plattenbar per Kopfhörer genießest, sondern etwas, was Du feierlich und ungestört in einer Abhörkabine vorgespielt bekommst. Nämlich Brahms’ Klavierkonzert Nr. 2. Stereo! Ich weiß, daß Christel sich die Platte wünscht. Etwas teuer wird es, aber vielleicht möchtest Du Dich daran beteiligen? Dann schreib Deinen Namen dazu auf die beigefügte Karte, laß alles versandfertig verpacken und gib Deinem Theodor die Sporen, Richtung Postamt, und dann schickst Du es als Eilpäckchen. Bist Du so lieb?
    Dieser Schein ist das einzige, was ich an deutschem Geld habe. Du darfst den Rest als Honorar behalten. Oder als
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