Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel

Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel

Titel: Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel
Autoren: Walter Kempowski
Vom Netzwerk:
asketisches, mönchisches Leben, das er bis zum äußersten zu steigern suchte. Der barmherzige Bauernfreund, der den Abgebrannten aufhalf, der selbst eine Fibel schrieb für die Kinder der Tagelöhner und den Nobelpreis ablehnte?
    Die Tagebücher seiner Frau Sofja sprechen eine andere Sprache. Hält man sie gegen seine Aufzeichnungen, dann überzieht sich das Bild dieses großen Mannes mit Craquelé. Der Widerspruch zwischen ihrem Streben nach Besitzerhaltung und seiner Neigung zur Christusnachfolge schaffte unüberbrückbare Differenzen. Eingespannt zwischen intriganten Einflüsterern und seiner keifenden Frau, wurde ihm der Himmel auf Erden zunehmend zur Hölle.
    All diesen Schwierigkeiten entzog er sich am Ende durch die Flucht. Durch einen Seiteneingang verließ er sein Gutshaus, fuhr mit dem Zug nach Astapowo und starb elend in einem Bahnwärterhäuschen. Draußen drängte sich die Weltpresse. Der längst Exkommunizierte (weil er unter anderem die Jungfräulichkeit Marias vor und nach Christi Geburt leugnete) wurde ohne kirchlichen Beistand zu Grabe getragen.

    Sein wohl schönstes Buch ist der Roman »Anna Karenina«, von dem literarische Connaisseurs so gerne den ersten Satz zitieren. Die Sache mit den glücklichen und den unglücklichen Familien und wodurch sie sich unterscheiden.

Giuseppe Tomasi di Lampedusa
    Was für ein Titel! »Der Leopard«. Und ein Glück, daß man es bei der Übersetzung in zoologischer Hinsicht nicht so genau genommen hat, sonst hieße der Roman nämlich: »Der Serval« oder »Der Ozelot«! Wir blättern in dem schönen Bildband »Dichter und ihre Häuser« des Knesebeck Verlags, in dem das Haus des Giuseppe Tomasi, Fürst von Lampedusa, abgebildet ist: Palermo, Via Butera 28, unmittelbar am Meer gelegen. Wir betrachten das sogenannte Ambiente, palastartig mutet es uns an. Er kaufte es nach der Zerstörung des Familienanwesens durch alliierte Bomben, las und schrieb in der dunklen Bibliothek, während seine Frau, eine Psychoanalytikerin aus dem Baltikum, seine Freunde und adlige Verwandte im Salon empfing.
    Im Jahr 1954 hat Tomasi den Roman noch einmal überarbeitet, »um mich zu unterhalten«, wie er seiner Frau erklärte. Sein Verleger aber lehnte das Manuskript zweimal ab. Erst drei Monate nach seinem Tod im Jahr 1957 wurde es angenommen, erhielt Preise und bescherte seinem Autor ungeheuren Nachruhm.

    Der Roman schildert das Schicksal einer aristokratischen Familie in Sizilien zur Zeit Garibaldis. Das bourbonische Königreich beider Sizilien geht zu Ende, aus dem Norden dringen Männer und Ideen ein, die die nationale Einheit Italiens erreichen wollen, im Zeichen des Liberalismus. Don Fabrizio, Fürst und Großgrundbesitzer aus der uralten Herrenschicht, dessen Wappentier der Leopard ist, wird von der neuen Zeit verdrängt, von Geschäftemachern und Spekulanten.
    Den meisten wird bei der Erwähnung dieses Romans sofort die Verfilmung einfallen, und das ist traurig. Wer sich ein paar schöne Stunden machen will (mit oder ohne Asbach), der lese diesen Roman (Taschenbuch schließt sich von selbst aus); er wird reich belohnt werden. (Wie habe ich es bedauert, daß ich ihn nicht im Original lesen konnte, wiederholte Versuche scheiterten dann doch am ständigen Griff zum Dictionnaire.) Vielleicht sollte er danach Joachim Fests Italienbeschreibung 50 zur Hand nehmen, die das moderne Sizilien zeigt. Wer das tut, wird im Hin- und Herblicken einer Entwicklung innewerden, die wir als Bedrohung bisher nur ahnen können. Die Leoparden und Löwen sind gewichen, ihren Platz haben, wie es bei Lampedusa heißt, »die kleinen Schakale« eingenommen, »die Hyänen«.

Anton Tschechow
    Anton Pawlowitsch Tschechow, den man mal mit Tsch schreibt und mal mit Ć, ist ein Autor, der nichts Schlechtes veröffentlicht hat. Es vergeht kein Tag, an dem nicht in einer deutschen Stadt eines seiner Stücke gespielt wird, und seine Erzählungen liegen in den verschiedensten Ausgaben vor, auch seine Briefe und Tagebücher. Dem Diogenes Verlag blieb es vorbehalten, die wenigen fotografischen Porträts, die es gibt, in einem Werbeprospekt wie Briefmarken nebeneinander zu publizieren, was einen kinetischen Effekt hervorruft.
    Geboren wurde Tschechow in Südrußland, in Taganrog am Asowschen Meer, wo sein Vater einen Kramladen führte. Er begann als Medizinstudent zu schreiben, und zwar aus Geldmangel, weil er seiner Mutter nämlich kein Geburtstagsgeschenk kaufen konnte. Seine heiteren Geschichten, meist von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher