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Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel

Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel

Titel: Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel
Autoren: Walter Kempowski
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grotesken Figuren aus der russischen Spießerwelt handelnd, erschienen in Witzblättern, jährlich etwa hundert an der Zahl. Bald konnte er damit seine Familie ernähren. Er könne sich an keine Erzählung
erinnern, an der er länger als vierundzwanzig Stunden gearbeitet habe, berichtete er später, »Der Jäger« ist sogar im Schwimmbad entstanden.
    Für den jungen Arzt kam bald die Ernüchterung. Nachdem die Mutter und die drei Schwestern eines Freundes, die er während einer Typhusepidemie in Moskau behandelte, elend zugrunde gingen, entfernte er das Approbationsschild von seiner Tür. Als Arzt krank zu werden muß schrecklich sein: 1884 erlitt er den ersten Blutsturz, er mußte sich selbst die Diagnose stellen: Lungentuberkulose.
    Tschechow begann über das Leben im allgemeinen und dann auch über die russischen Zustände nachzudenken. Ein befreundeter Romanschriftsteller forderte ihn auf, ein ernsthaftes Werk zu schreiben. So entstand um die Jahreswende 1887/88 die Erzählung »Die Steppe«, in der er seine Eindrücke von einer Reise in die ukrainische Ebene verarbeitete. Er begann einfach draufloszuschreiben. »Ich schildere die Ebene, die violette Ferne, Schafzüchter, Juden, Popen, Nachtgewitter, Herbergen, Wagenzüge, Steppenvögel und anderes«, teilte er mit. Ein Roman wurde aus der Geschichte des Jungen Jegoruschka, der mit seinem Onkel, einem Kaufmann, und einem Popen, die Wolle verkaufen wollen, eine längere Fahrt durch die Steppe unternimmt, nicht, da Tschechow Angst hatte, etwas Überflüssiges zu schreiben, und deshalb jede Seite so kompakt wie eine kleine Erzählung ausarbeitete. »Die
Steppe« erschien im März 1888 und wurde begeistert aufgenommen.
    Tschechow fuhr wenige Jahre später auf die Insel Sachalin, die von der russischen Regierung zu einem großen Straflager ausgebaut worden war. Er verbrachte dort drei Monate und unterhielt sich mit Tausenden von Häftlingen. Das Ergebnis war eine nicht nur in Moskau und St. Petersburg Aufsehen erregende Studie, »Die Insel Sachalin« (im Hause Tolstois, mit dem er befreundet war, wurde unter Tränen daraus vorgelesen). Die Regierung sah sich gezwungen, das Los der Gefangenen zu erleichtern. Tschechow selbst veranstaltete eine Büchersammlung für die Lagerbibliotheken: ein Akt der Menschlichkeit, auf den wir politischen Häftlinge der DDR-Zeit vergeblich hofften.
    Im Jahr 1892 kaufte er das Landgut Melichowo bei Moskau. Er wollte unter dem Volk leben und wohltätig wirken, ließ Schulen erbauen und Straßen, hielt kostenlose ärztliche Sprechstunden ab für die Bauern und widmete sich der Cholerabekämpfung. Wenn er durchs Dorf ging, lächelten ihm die alten Frauen zu und bekreuzigten sich.
    Später lebte er seiner Gesundheit wegen meist auf der Krim oder in Nizza. Im Juli 1904 hielt er sich in Badenweiler auf, wo er mehr unter der Langeweile des deutschen Kurorts litt und dem ungewohnten Essen als an seiner Lungenkrankheit. Im Hotel Sommer ist er gestorben, nachdem er noch ein Glas Champagner getrunken hatte,
– »ein Abgang erster Klasse«, wie in der FAZ einmal zu lesen stand. Seine Leiche wurde in einem grün gestrichenen Güterwagen mit der Aufschrift »Austern« nach Moskau überführt.
    Tschechow war einer der größten Meister der kleinen Erzählung, die Ratlosigkeit der Menschen in ihrem Dasein, in ihren Ängsten, ihrer Einsamkeit, auch schadenfroher Humor und bittere Menschenverachtung prägten seine Werke. Thomas Mann meinte, das Kurze und Knappe, die Fülle des Lebens in Gedrängtheit, überträfen ein tatsächliches Riesenwerk. Tschechow beeinflußte Virginia Woolf ebenso wie Hemingway und seinen Freund Gorki. Katherine Mansfield wollte »alles, was Maupassant geschrieben hat, hingeben für eine einzige Erzählung Tschechows«.

Iwan Turgenjew
    Iwan Turgenjew ist ein europäischer Schriftsteller ersten Ranges, der sein Vaterland dem Publikum der westlichen Welt nahebrachte. Seine Werke erschienen rasch auch in englischer, französischer und deutscher Sprache, bewundert von Fontane, Thomas Mann, Flaubert, Guy de Maupassant, Galsworthy bis hin zu Ernest Hemingway. Hippolyte Taine nannte ihn den größten Künstler seit dem alten Griechenland, und George Sand, die Freundin Chopins, bekannte: »Wir sind alle bei ihm in die Schule gegangen.«
    Nur mit Tolstoi, der Turgenjew seinen literarischen Ruf zu verdanken hatte, war es zu einem Zerwürfnis gekommen. Erst nach vielen Jahren söhnten sie sich aus, und noch auf dem Sterbebett hat Turgenjew
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