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Um die Wurst (German Edition)

Um die Wurst (German Edition)

Titel: Um die Wurst (German Edition)
Autoren: Michael Moritz
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gleich rechts. Unter dem Waschbecken steht ein Eimer. Mach ihn voll und gieß ihm alles über seine hohle Birne. Vielleicht hast du dann Glück und kriegst einen brauchbaren Satz von dem Affen.«
    Stark war längst den Flur hindurch in Richtung Wohnzimmer gegangen. Die letzten Worte der Frau hatte sie nur noch im Rücken vernommen. Hier hatte lange niemand mehr geputzt. Außerdem schien jemand ein leidenschaftlicher Sammler von Zeitschriften zu sein. Vor allem Freizeit Revue und Bunte erfreuten sich großer Beliebtheit. Aber auch Perry Rhodan und Jack-Slade-Western stapelten sich in allen Ecken. Sie blieb vor einem Stapel stehen und betrachtete das Cover des obenauf liegenden Heftchens. Ein Männerschädel, dem man die Haut abgezogen hatte. Sie nahm das Heft in die Hand.
    »Geister-Killer«, sagte die Frau, die sich mittlerweile an sie herangeschoben hatte. »Eine der beiden Nachfolge-Serien der Geister-Krimis. Bei Kelter erschienen, 1981. Hat es aber nur auf zweiunddreißig Ausgaben gebracht. Rick Master und Mark Tate. Coole Typen.« Sie nahm ihr das Heft aus der Hand. »Eine Rarität. Sammler blättern dafür richtig was hin.«
    Sie hob die Augenbrauen. Stark sah erst jetzt, dass sie gemalt waren und viel zu hoch über dem natürlichen Brauenbogen saßen.
    »Wenn du willst, lese ich dir daraus vor. Allein der Anfang ist großartig. Die Anfänge sind das Wichtigste. Es muss sofort losgehen. Große Einleitungen schrecken den Leser ab.«
    »Wenn es so gut ist, warum dann nur zweiunddreißig Ausgaben?«
    Die Asche der Zigarette fiel auf den Teppich. Der schien daran gewöhnt zu sein. »Zeitgeist«, sagte die Frau. »Mode. Das ist alles. Hätte Rowling in den Achtzigern Harry Potter geschrieben, sie wäre noch immer eine arme Kirchenmaus. Und wenn sie Pech hätte, müsste sie mit einem versoffenen Metzger leben.«
    »Sind Sie Frau Saier?«, fragte Stark.
    Die Frau lachte laut. Fast quiekte sie wie ein Schwein, was Stark an den Schlachthof erinnerte. »Bin ich verrückt? Es reicht, dass ich mit diesem Irren lebe. Trauschein kommt nicht in Frage. Ich brauche meine Freiheit. Wenigstens hier oben.« Sie tippte sich mit dem blutrot lackierten, gewölbten Fingernagel an die Stirn. Dabei fiel wieder Asche von der Zigarette. »Aber du willst ja nichts von mir wissen, sondern von Heiner. Viel Glück.« Sie verschwand in einem dunklen Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
    Stark ging ins Wohnzimmer. Ein Mann in einem rot-schwarz karierten Pyjama schlurfte selbstvergessen durch den Raum. Er hielt die Augen geschlossen, auf schulterlangen grau-blonden Haaren klemmte ein großer Kopfhörer. Die Musik summte leise durch die Muscheln. Stark tippte auf »Walküre«. Das Gesicht des Mannes zuckte. In der Rechten hielt er einen Dirigentenstab, mit dem er temperamentvoll die Musiker führte. Stark verfolgte das lange Kabel des Kopfhörers und ging zu der Anlage, die Saier zu Karajan machte. Sie stellte die Musik ab.
    Der Dirigent erstarrte mitten in der Bewegung, dann drehte er sich zur Anlage um. Jetzt hatte er die Augen geöffnet und musste sie sehen. Aber er ging an ihr vorbei, als wäre sie Luft, schaltete die Anlage ein und dirigierte weiter. Aufmerksam Stark im Blick haltend. Er würde nicht zulassen, dass sie die Musik noch mal abwürgte, ehe er das Konzert beendet hatte. Er befahl ihr mit dem Dirigentenstab, sich auf einen Stuhl zu setzen. Stark gehorchte und wartete geduldig.
    Die Bewegungen des Konzertmeisters wurden größer, Augen und Mund weiteten sich. Die Arme holten aus, als würde ein Skifahrer zum Abfahrtslauf starten, dann zitterte der ganze Mensch. Stille. Und ein Lächeln der Glückseligkeit auf dem verschwitzten Gesicht.
    Langsam nahm er die Kopfhörer ab.
    »Heiner Saier?«, fragte Stark.
    »Wer will das wissen?« Seine Stimme fistelte, als hätte er Helium inhaliert.
    Stark zeigte ihren Dienstausweis. Saier pfiff anerkennend.
    »G-Man!« Er riss den Mund zu einem Lachen auf, aber es kam kein Ton heraus. Es schien, als hätte man ihm die Tonspur geklaut. »Jerry Cotton mochte ich nie«, sagte er. »Ich stehe mehr auf Professor Zamorra. Kennen Sie den?« Er neigte den Kopf wie ein Kanarienvogel, der überlegte, ob es sich lohnte, für den Tag zu pfeifen. »Horror. Das mag ich.«
    »Kennen Sie Erik Schwarz?«
    »Den Tierschützer? Natürlich. Hat sich ja oft genug bei uns ans Tor gekettet. Hat er was angestellt?«
    »Eher andersrum. Jemand hat ihm einen Bolzen ins Hirn geschossen und ihm dann die Haut vom Gesicht
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