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Um die Wurst (German Edition)

Um die Wurst (German Edition)

Titel: Um die Wurst (German Edition)
Autoren: Michael Moritz
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abgezogen.«
    Saier kniff die Augen zusammen und zog Luft durch die Zähne.
    »Horror«, sagte Stark. »Genau das, was Sie mögen.«
    »Ah, daher weht der Wind.« Saier drehte den Dirigentenstab durch die Finger, wie es Schlagzeuger gerne vor einem Solo taten. »Sie glauben, ich hätte Schwarz getötet?«
    »Haben Sie?«
    »Nein.«
    »Wo waren Sie heute Nacht?«
    »Krank.«
    »Zeugen?«
    »Damona King.«
    »Ihre Lebensgefährtin?«
    Saier lachte wieder stumm und mit weit aufgerissenem Mund. Dann schüttelte er wild den Kopf, dass ihm sein blond-grauer Schnittlauch wie ein Baströckchen ums Haupt tanzte.
    »Nein. Gerlinde hat nicht das Zeug zu einer Damona King. Niemals.«
    »Wer ist Damona King?«
    »Damona King ist neben Vampira die einzige Horrorserie mit einer weiblichen Hauptfigur. Erschien vierzehntägig zwischen 1979 und ’83. Insgesamt kam sie auf einhundertsieben Nummern. Ich habe sie alle.«
    Saier schlurfte in Richtung Fenster auf ein Sofa zu, das mit Heftromanen überfüllt war. Er stapelte um, blätterte, zögerte, stapelte wieder und kehrte mit einem Heft in der Hand zurück, das er Stark reichte. »Hier. Das habe ich doppelt. Ich schenke es Ihnen.« Er sah auf das Cover. »Ähnelt Ihnen sogar ein wenig. Hat vielleicht etwas mehr Busen. Ist Pflicht. Sonst hätten die Vampire ja nichts zum Aussaugen.« Wieder das gruselige Murnau-Lachen.
    »Das ist dünn.«
    »Knapp siebzig Seiten.«
    »Ihr Alibi.«
    »Dann eben doch Gerlinde.«
    »Warum haben Sie sich heute krankgemeldet? Sie scheinen mir ganz munter.«
    »Mentale Schwäche. Ich bin sensibel. Eigentlich Künstler. Ich habe mal Violine gespielt.«
    »Und warum schießen Sie im Schlachthof Rinder?«
    »Obsession.«
    Stark hob fragend die Brauen.
    »Ja, ich bin besessen. Von Blut. Ich muss es bluten sehen. Meine Phantasie braucht Blut. Blut und gewaltige Musik. Der Schlachthof ist eine Art therapeutische Prävention. Damit ich keinen größeren Unfug treibe.«
    »Haben Sie größeren Unfug getrieben? Haben Sie Erik Schwarz in einem Anflug von Blutrausch getötet?«
    »Wo hat man ihn getötet?«, fragte Saier.
    »Wir haben ihn auf einer Wiese unweit des Schlachthofs gefunden. Im Löwenzahn.«
    »Ah. Sie denken auch in Bildern. Das ist schön. Gelb und Rot. Das ist knallig. Ich mag es gern düsterer. Von daher falle ich aus dem Raster.«
    »Gibt es außer Ihrer Lebensgefährtin noch jemanden, der bezeugen kann, dass Sie gestern Nacht hier waren?«
    »Wesen feinstofflicher Natur. Gespenster. Ich glaube, es waren fünf. Soll ich Ihnen die Namen und Adressen nennen? Oder soll ich Sie anrufen, wenn wir unsere nächste Sitzung halten?«
    Stark hätte ihn jetzt gerne gepackt und geschüttelt. Vermutlich hätte sie aber durch ihn hindurchgegriffen. Er setzte seine Kopfhörer auf, drehte die Anlage an und dirigierte »Siegfried«.
    Stark ließ ihn und klopfte bei Gerlinde an. Ein abwesendes »Ja?« erklang auf der anderen Seite der Tür. Stark öffnete und trat ein. Keine Überraschung. Auch hier stapelten sich Romanhefte. Die Rollläden an den Fenstern waren heruntergelassen. Der Frühling durfte nicht ins Zimmer. Eine Tischlampe erhellte einen Schreibtisch, der nur mit einem überfüllten kristallenen Aschenbecher und einer grauen Schreibmaschine »Olympia Elite« bestückt war. Mit zehn Fingern hämmerte Gerlinde Buchstaben aufs Papier.
    »Setz dich«, sagte sie. »Die Sachen auf dem Sessel kannst du auf den Boden legen. Ich brauche nur noch einen Absatz.« Sie tippte, während sie redete.
    Stark räumte einige Heftstapel von dem geflickten Ohrensessel, den Gerlinde ihr angeboten hatte, und nahm Platz. Die Schreibmaschine klapperte weiter. Pling. Die Klingel am Ende der Zeile. Ratsch. Der Schlitten fuhr zurück. Klappern. Stark erinnerte es an die Polizeistuben des Film noir. Sie hielt Ausschau nach einem schwarzen Telefon mit Wählscheibe. Fehlanzeige. Pling. Stille.
    Gerlinde drehte sich auf ihrem Bürostuhl zu ihr. »Und? Hat er wieder Kinder mit seinen Horror-Auftritten verschreckt?«
    »Horror-Auftritten?«
    »Ich dachte, du wärst deswegen hier? Wenn du nicht deswegen hier bist, sage ich nichts. Bin keine Petze.«
    »War er gestern Nacht bei Ihnen?«
    »Ja. Die ganze Zeit.«
    »Sicher?«
    »Ja.«
    »Was haben Sie getan?«
    »Geschrieben.«
    »Hier drin?«
    »Wo sonst?«
    »Dann kriegen Sie ja gar nicht mit, wenn er die Wohnung verlässt.«
    »Muss ich alles mitkriegen? Er ist erwachsen, und für seine Kinderspiele bin ich nicht verantwortlich. Das ist Sache
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