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Um die Wurst (German Edition)

Um die Wurst (German Edition)

Titel: Um die Wurst (German Edition)
Autoren: Michael Moritz
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zerbrochen. Zu ungewohnt war der Blick von oben, die spiegelverkehrte Bewegung, um ein Objekt in Kadrage zu zwingen. Man musste sich Zeit nehmen, um mit der 6x6 ein gutes Foto zu schießen. Sie forderte einen Umgang mit Zeit, die Killians Temperament und der Art, wie er die letzten Jahre gelebt hatte, völlig konträr lief. Jetzt war er stolz, dass er durchgehalten hatte.
    Er legte die Kamera auf den Beifahrersitz seines Defenders, startete den Wagen und fuhr langsam durch die überflutete Straße.
    Aus den Kanaldeckeln der Bruckmühlenstraße gurgelte noch das Regenwasser. Die Männer der freiwilligen Feuerwehr und des technischen Hilfswerks stapelten unermüdlich Sandsäcke vor den gefährdeten Kellerfenstern des denkmalgeschützten Sandsteingebäudes. Ein Fotograf des Rebland-Kuriers mühte sich redlich, einige spektakuläre Fotos von den Katastrophen des Jahrhundertregens zu knipsen. Ein fülliger Feuerwehrmann stapfte durch die Lachen, das Wasser floh unter dem schweren Tritt seiner Gummistiefel in alle Richtungen, wusste aber nicht, wohin, und schwappte wieder zurück. Der Feuerwehrmann hob die Hand über seinen Helm und versperrte Killian mit diesem Zeichen die Durchfahrt.
    Killian bremste und kurbelte das Fenster herunter.
    »Do geht’s nit durch.« Um seine Ansage zu untermauern, schüttelte der Feuerwehrmann seinen behelmten Kopf mehrere Male so heftig, dass auch sein wuchtiges Doppelkinn in Bewegung geriet und Killian schon befürchtete, die Flugkraft des Kinns würde dem armen Mann am Ende das Genick brechen.
    »Ich muss nach Bötzingen, wie komme ich da hin?«, fragte er.
    Die Masse des Doppelkinns beruhigte sich, dafür begannen nun die Hirnzellen des Feuerwehrmanns zu glühen. Er kratzte sich mehrmals am Helm, schnaufte tief durch und begann den Kopf hin-und herzuwiegen, als beginne er gleich einen indischen Volkstanz. Dann öffnete er endlich den Mund, setzte zum Sprechen an, aber sein Funkgerät unterbrach ihn. Per Handzeichen bat er Killian, sich noch einen Moment zu gedulden, nestelte an seinem Gürtel, an dem das Funkgerät befestigt war, und lauschte, was die Zentrale ihm zu melden hatte.
    Killian beobachtete die Szene mittlerweile durch seine Rolleiflex. Diesen Moment durfte er sich nicht entgehen lassen: der füllige Retter des Infernos inmitten der überfluteten Dorfgasse. In der einen Hand ein antiquiertes Funkgerät, die andere wild fuchtelnd zum Himmel gestreckt – als ob er mit dem Herrn des Regens selbst verhandeln würde. Killian versuchte die Einstellung während der einzelnen Schüsse nicht zu verändern und die Kamera so ruhig wie möglich zu halten. Ein Stativ wäre jetzt angebracht gewesen. Er würde aus den Fotos, die er von seinem Helden schoss, gerne ein Daumenkino machen, eine Slapstick-Doku zum Anfassen. Er lachte in sich hinein, während er die Bilder schoss.
    Ein lautes Hupen schreckte ihn aus dem Sucher seiner Kamera. Hinter ihm hatte es jemand besonders eilig. Ein schwarzer Jeep Cherokee Overland rückte Killians altem Defender auf die Pelle. Killian sah in den Rückspiegel, aber durch die getönte Scheibe konnte er nicht erkennen, wer in dem Wagen saß.
    Der Feuerwehrmann beendete seinen Funkverkehr und schielte grimmig nach dem Hupgeräusch. Als er jedoch erkannte, dass es nicht Killian war, der drängelte, sondern der Cherokee dahinter, wandelten sich Miene und Körperhaltung des wichtigsten Menschen der Bruckmühlenstraße schlagartig. So gut es das Hochwasser zuließ, sprintete er an Killians Wagen vorbei, um atemlos neben dem Cherokee zu halten.
    Killian beobachtete im Außenspiegel, wie die Fensterscheibe der Fahrerseite nach unten glitt. Der Winkel war allerdings zu spitz, sodass er auch jetzt nicht zu erkennen vermochte, wer den Wagen fuhr. Schüttelte der General aller Feuerwehrleute bei ihm noch kategorisch sein Haupt, begann er nun devot zu nicken. Wobei auch hier das Doppelkinn wieder seinen eigenen Gesetzen folgte. Durch den Kragen der Montur hatte das Fettpolster keine Möglichkeit auszuweichen und stülpte sich mit jedem Nicken seines Besitzers nach oben, sodass der Mund des Feuerwehrmanns immer wieder dahinter verschwand. Killian musste erneut lachen, diesmal war es ihm aber nicht möglich, die Rolleiflex anzusetzen. Dazu war sie nicht handlich und schnell genug.
    Der Feuerwehrmann eilte zu Killian und schnaufte: »Fahren Sie bitte rechts ran, damit der Wagen hinter Ihnen vorbeikann.«
    Es wurde offiziell, dachte Killian, der Mann bemühte sich,
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