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Überman

Überman

Titel: Überman
Autoren: Tommy Jaud
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eigentlich, Simon?«
    »Mir ist nicht langweilig!«
    »Ich muss trotzdem zum Oberlandesgericht jetzt. Also, warum quatschen wir nicht, wenn du was Konkretes hast?«
    »Hab ich doch! Eine Idee nach der anderen hab ich! ›wergrilltwas.de‹ zum Beispiel, da haben wir noch gar nicht drüber geredet, das ist eine soziale, location-based App für Wurstfreunde ohne Grill.«
    Kopfschüttelnd steht Ditters auf und klopft mir auf die Schulter. »Grillen. Im Dezember. Klar.«
    »Gerade dann sind Wurstfreunde ohne Grill besonders verzweifelt! Wir könnten auch eine Gay-Version machen mit schwulen Wurstfreunden ohne Grill. Oder ohne Wurst und mit Grill!«
    »Ruf mich an, wenn du mich wirklich brauchst!«
    Ditters nutzt den Schulterklopfer und geleitet mich pseudo-freundschaftlich zur Tür. Man könnte auch sagen, dass ich nach draußen geschoben werde. Glücklicherweise kann ich mich kurz am Türrahmen festkrallen.
    »Bevor ich gehe: Hast du dich eigentlich jemals gefragt, warum es in Las Vegas keine Bierbikes gibt?«
    »Nein. Tschüss, Simon!«
    »Tschüss, Lars, und wenn du allen Ernstes Angst vor einem Outing oder so hast: dein Hemd IST dein Outing!«
    »Einen schönen Tag wünsch ich dir!«
    »Bussi!«
    »Verpiss dich!«
     
    Da ist es wieder, das knatschbekloppte Sarantakos-Gefühl. Ich halte mein homophiles Lächeln noch genau bis zum Aufzug. Als die Tür sicher zu ist, ritze ich mit meinem Haustürschlüssel »Schwuler Brillenhobbit« in die Aufzugskabine und drücke alle Tasten. Eine saublöde Idee schon alleine deswegen, weil Ditters’ Kanzlei im 31 . Stock ist.

Demnach zu wenig gezahlt:
    Als ich den Schlüssel zu unserem Gemeinschaftsbüro umdrehe, hoffe ich inständig, dass weder der sportfanatische Manni da ist noch Paula mit ihrem selten fressgeilen Hund, einem Beagle, der allen Ernstes ›Evil La Boum Tsunami‹ heißt.
    Meine Gebete werden erhört. Keiner da, der mich zu einer Demo für ein veganes Oktoberfest überreden will oder zu einer Kicker-Partie, die ich ohnehin verliere. Es ist die Stunde der Wahrheit: Ideenliste meets Kontostand meets Finanzamt Köln-Nord. Ich will mich gerade in meinen fair gehandelten Baumwoll-Bürostuhl sacken lassen, da schießt ein hellbrauner Beagle mit weißem Bauch schwanzwedelnd auf mich zu. Nicht, dass Evil La Boum Tsunami mich lieber mag als Paula oder Manni – seine Liebe zu mir basiert in erster Linie auf den Billig-Bockwürsten, mit denen ich ihn immer dann füttere, wenn Paula ihn mit mir im Büro alleinlässt. (Wenn ich Paula schon nicht mehr beeinflussen kann, dann mache ich wenigstens ihren Hund fett.)
    »Keine Wurst heute, Evilchen, der Onkel hat kein Geld mehr«, erkläre ich das aus Beaglesicht Unbegreifliche und streichle ihn. Als Evil merkt, dass es wirklich nichts gibt, schleicht er mit gesenktem Kopf zurück in sein Körbchen an Paulas Tisch.
    Ich tippe gerade mein Codewort (Saupillemannarschloch) in den Rechner, da bemerke ich einen Tetrapak H-Milch neben der Tastatur und zwei Zehn-Cent-Münzen. Paulas Schrift, natürlich! Mit nach oben gezogenen Augenbrauen lese ich den Text:
    Lieber Kaffeetrinker, warum Industriemilch? So viel mehr kostet ein Liter Bio-Milch! Gruß, Paula.
    Stöhnend schiebe ich die Milch zur Seite und wünsche mir meine alte Paula zurück. Die Paula, mit der ich nach einer Kneipentour noch einen Burger mit Transfett-Pommes essen konnte und über das Leben philosophieren und die Liebe. Doch diese Paula ist Vergangenheit. Sie hat sich nämlich radikalisiert durch diverse Bio-Seiten im Internet, und nun ist sie so was wie eine Öko-Taliban, die nicht müde wird, ihre hilflose Umgebung mit nachhaltigem Themenwurstsalat zu bombardieren.
    Dabei fing alles ganz harmlos an mit ein paar Bioprodukten in unserem Gemeinschaftskühlschrank, und natürlich hätten Manni und ich wachsamer sein müssen, aber wir konnten ja nicht ahnen, in welche Richtung das alles gehen würde. Der Wechsel zu einem Ökostrom-Anbieter war für uns ja noch völlig okay, die paar Euro mehr konnte man schließlich schon investieren in die Umwelt. Bedenklich wurde es erst, als man mit Paula in kein normales Restaurant mehr gehen konnte, wenn es nicht »bio« war. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wurden dann unsere schönen Ikea-Büromöbel ausgetauscht gegen fair gehandelte Öko-Möbel, und kurz darauf bekamen Manni und ich die Spitznamen »Flauschi« (ich) und »Kuschelweich« (Manni), weil Paula fand, dass wir nach ekelhaftem, chemischem Industrieweichspüler rochen. Das
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