Überman

ein wenig zu konzentriert unter ihren rotblonden Locken hervorlugt, wo es doch eigentlich gar nichts zu konzentrieren gibt auf der nahezu leeren Sonntagsautobahn.
    Bin froh, dass ich sie begleiten darf, obwohl das natürlich unnötig Platz wegnimmt in einem so kleinen Auto, das ohnehin vollgestopft ist mit den ganzen Sachen für den Semesterbeginn: dem Ikea-Starterpaket Geschirr und Besteck, Klamotten und dem brandneuen Lebenshilfe-Buch von Dr. Parisi.
    Annabelle merkt, dass ich sie anschaue vom Beifahrersitz und schaut verunsichert zu mir rüber. »Was?«
    »Du fährst süß!«, schmunzle ich, und natürlich melden sich sofort die beiden kleinen Fältchen über Annabelles Nase.
    »Wie bitte fährt man denn süß?«
    »Ich weiß auch nicht, das kann man gar nicht erklären, glaube ich, ist halt einfach süß, wie du fährst.«
    Skeptisch dreht sich Annabelle zu mir, aber natürlich ist es auch meine Schuld, dass sie so oft dem Frieden noch nicht traut, immerhin haben wir ja so einiges hinter uns.
    »Fahre ich irgendwie komisch oder … mache ich was falsch?«
    »Absolut nicht, es ist halt einfach nur so, dass du süß fährst!«
    Ein wenig ratlos konzentriert sich Annabelle wieder auf den Verkehr und überholt einen osteuropäischen LKW . Tack, tack, tack macht der Blinker, und wir sind wieder auf der linken Spur. Ich blicke nach draußen auf die Felder, wo die letzten Schneeflecken dahinschmelzen.
    »Und du küsst putzig!«
    Ruckartig richte ich mich auf. »Ich mache bitte was?«
    »Du küsst putzig!«, wiederholt Annabelle, ohne mich anzuschauen, und seltsamerweise lacht sie auch nicht dabei.
    »Wie bitte küsst man denn ›putzig‹? Wie ein … Teenager oder ein Beagle oder wie?«
    »Ich weiß auch nicht, das kann ich gar nicht erklären, es ist halt einfach irgendwie putzig, wie du mich küsst.«
    »Also … zu kindlich oder … sanft?«
    »Nein, nein … überhaupt nicht. Es gefällt mir ja, aber es ist halt trotzdem irgendwie putzig.«
    Irritiert schaue ich rüber zu Annabelle, doch aus ihrem Gesicht lässt sich nichts weiter ablesen. Dafür sehe ich in diesem Moment das goldene Zeichen in der Wiese, auf das ich so lange gewartet habe. »Annabelle?«
    »Ja?«
    »Hast du auch schon Hunger?«
    »Unfassbaren Riesenhunger!«
    Ich deute auf das McDrive-Schild. »Dann gäbe es in exakt fünfhundert Metern eine Möglichkeit!«
    »Och nee … nicht schon wieder!«
    »Bitte, Annabelle, nur einmal noch!«
    Annabelle stöhnt, geht aber trotzdem vom Gas und fährt rechts in die Ausfahrt. Ein paar Minuten später geht das Fenster runter, und sie dreht sich zum Automaten.
    »Einen Big Tasty Bacon mit mittleren Pommes und einen Crispy Chicken Caesar Salad bitte!«
    Ich schließe die Augen und genieße.
    »Cola, Fanta oder Sprite?«, fragt die Automatenstimme.
    »Nichts davon, vielen Dank!«, sagt Annabelle, legt den Gang ein und schaut kurz zu mir rüber. Natürlich bemerkt sie meinen Gesichtsausdruck.
    »Hab ich irgendwie … süß bestellt oder warum grinst du so?«
    »Ich musste nur gerade daran denken, wie Manni die Beine weggeknickt sind bei
Schlag den Raab
.«
    »Stimmt«, grinst Annabelle, »das war lustig!« Dann fährt sie weiter bis zum zweiten Fenster.
    Ich kann dieses Cola-Fanta-Sprite-Ding einfach nicht oft genug hören. Zehn Prozent vom Umsatzplus! Hundert Prozent mein Geheimnis. So wie die zwanzig Prozent von meinem Freund Kosmás, weil sein »Call auf den Dow« nämlich goldrichtig war (im Gegensatz zu seiner Insider-Info) und er pleite wäre, hätte ich ihn telefonieren lassen.
    Kann ja sein, dass ich putzig küsse, aber war ich jemals pleite? Also nicht, dass ich wüsste … Wie auch, wo derzeit einfach alles zu Gold wird, was ich anfasse …?

Epilog
    Pressemitteilung der Kanzlei Ditters
    Aktuelles Urteil zu irreführender Werbung: DITTERS verteidigt Kölner Kochbuchautor gegen wettbewerbswidriges Buch-Cover von Jamie Oliver.
     
    Ein Kölner Kochbuchautor ist mit DITTERS erfolgreich gegen eine irreführende und damit wettbewerbswidrige Werbung des britischen Starkochs Jamie Oliver vorgegangen. Dieser hatte auf dem Cover eines seiner Kochbücher behauptet, seine Menüs seien in 30  Minuten zubereitet.
     
    Mit Urteil vom 11 .  03 .  2013 , Az. 24  O 111 / 10 hat das Landgericht Köln dem Gegner verboten, das irreführende Cover weiter zu verwenden, und zugleich verfügt, den Titel in »Jamies 1221 -Minuten-Menüs« zu ändern.
     
    Die Bestseller-App unseres Mandanten ist unverändert