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Überman

Überman

Titel: Überman
Autoren: Tommy Jaud
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nicht hinschauen. Ich kann überhaupt nirgendwo hinschauen irgendwie. Ditters sagt, ich müsse mich nicht schämen, vielleicht hat er ja recht.
    Endlich dürfen wir Platz nehmen, und einer der Robenmänner verliest, wer für den Kläger und die Beklagten erschienen ist. Dann fragt dieselbe Person, ob eine gütliche Einigung möglich ist oder ob die Parteien dies ablehnen. »Wir lehnen ab!«, verkündet Ditters wie besprochen, worauf natürlich die Gegenseite gar nicht mehr antworten muss, weil wenn einer ablehnt, dann reicht das ja schon, um sich nicht zu einigen.
    Ich gucke rüber zu Annabelle und hoffe auf einen Augenkontakt, doch sie zupft nervös am Pullover. Ich drehe mich um, wage zum ersten Mal einen Blick auf Jamie Oliver. Er sieht blass aus in seinem blauen Kapuzenshirt und übermüdet, Ditters hat erzählt, dass er einen Fünf-Uhr-noch-was-Flug nehmen musste aus Stansted und stinkendsauer ist, dass er persönlich geladen wurde.
    Der Vorsitzende diktiert, dass die Sach- und Rechtslage mit den Parteien erörtert wurde und eine gütliche Einigung nicht möglich ist. Dann ergreift der Richter das Wort und verliest den Beweisbeschluss: »Es soll Beweis erhoben werden über die Frage, ob die im Buch des Beklagten
30  Minuten Menüs. Genial geplant – blitzschnell gekocht
enthaltenen Rezepte von Verbrauchern in einem Zeitraum von dreißig Minuten zubereitet werden können durch Inaugenscheinnahme der Zubereitung des Gerichts ›Scharfe Salamipizza mit dreierlei Salaten und Kirschdessert‹ durch den Kläger Simon Peters, wohnhaft Sülzburgstraße  138 , 50937  Köln sowie durch den Beklagten selbst, Jamie Oliver, wohnhaft 15  Westland Place, London N 1   7 LP , Vereinigtes Königreich.«
    Als ich mich traue, ein weiteres Mal in Richtung Oliver zu schauen, treffen sich unsere Blicke. Auf seinem Gesicht liegt der Ausdruck eines Mannes, der mich gerade kopfüber in einen dampfenden Topf mit einer Mischung aus Chilis verschiedener Farbe und Größe tunkt. Annabelle hat’s auch bemerkt, sie hält unauffällig den Daumen hoch und lächelt.
    Der Richter fährt fort: »Zur erwähnten Inaugenscheinnahme ziehen wir nun in die Küche der Gerichtskantine um. Das Ergebnis wird dann im Anschluss wieder hier im Saal erörtert werden. Ein Urteil fällt allerdings erst beim Verkündungstermin. Guten Appetit!«
    Ditters muss mir beim Aufstehen helfen, zu groß sind noch die Schmerzen von unserem privaten Krav-Maga-Training. Es war Danielas Idee: entweder Strafanzeige wegen Einbruch und Freiheitsberaubung oder eben einmal noch in den israelischen Schutzanzug für alle.
    Am schlimmsten wurde ich vom Zwerg vermöbelt, und das nur, weil ich angeblich einen 2006 er Château Mouton Rothschild mit 98  Parker-Punkten in der Mikrowelle hochgejagt hatte. Am Abend konnte ich mich nur noch mit einer krötenartigen Schonhaltung fortbewegen mit Beinen so blau, dass Annabelle dachte, ich hätte meine Jeans noch an.
    »Geht’s denn oder willst du Phils Krücken?«, fragt Ditters nicht ohne Schadenfreude.
    »Geht, ja ja …«, keuche ich und quäle mich zum Ausgang.
    Auf dem Korridor erklärt mir Ditters, dass der Druck nicht auf mir liegt, sondern auf Oliver. Weil ich ja schon weiß, dass ich das Menü nicht in 30  Minuten hinkriege. Und wenn er es schafft, dann sei es ein Beweis, dass nur Profiköche es so schnell könnten.
    »Is ’ne klassische Lose-Lose-Situation für ihn«, grinst Ditters, der ein so schlechter Anwalt dann ja eventuell doch nicht ist.
    Kurz vor der Kantine bemerke ich, dass Jamie Oliver direkt neben mir geht. »I’m gonna make it in twenty minutes!«, zischt er mir zu, offensichtlich hat er auch den Tipp bekommen, mich zu provozieren.
    Ich frage ihn, ob er eine Original Jamie Oliver Kitchen Machine mitgebracht hat.
    »I did actually!«, grinst er siegessicher.
    »And a continental adaptor for 220  Volts?«, frage ich, wobei ich das ›R‹ von ›Adaptor‹ rolle, damit es auch ordentlich deutsch klingt.
    Gleich drei Anwälte in verschiedenen Farben und Größen müssen Jamie von mir wegreißen, und wenn ich es richtig verstehe, dann brüllt er irgendwas wie: »This means war!«
    Es ist wirklich unfassbar: Fast siebzig Jahre ist der Krieg jetzt her, aber der Engländer kann es nicht vergessen. Vielleicht hat er aber auch einfach nur keinen Adapter dabei.

Putzig
    72 Tage später
    Schnell fährt sie. Schön fährt sie. Und süß fährt sie in ihrem neuen Mini, aber vielleicht finde ich das nur, weil sie irgendwie
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