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Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen
Autoren: Tilman Röhrig
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Augen quoll die Lust.
    »Du bist stark wie der große Prophet, lieber Konrad. Auch wenn ich verheiratet bin, das darf dich nicht kümmern. Wie dein Bruder sollst du zwei Frauen haben.«
    »Wirklich?« Er wölbte den Rücken, war einverstanden, ungebärdete Erwartung zitterte durch seinen Körper.
    Hastig setzte Wendel ihre Tochter in einen weit entfernten Stuhl, schritt zum Bett und legte sich neben ihn. Vergib mir! Ekel verschloss ihre Augen.
    Auch als er müde werden wollte, reizte sie seine Lust, nutzte den Taumel, seine Trunkenheit. »Meine Tochter, wie stark du sie nimmst!« Die Worte allein genügten, in seinem Wahn glaubte er, grunzte, und Wendel erzwang die Erschöpfung, bis er sich ermattet hinstreckte und einschlief.
    Unbeweglich kauerte Lisabeth auf dem Stuhl. Wendel sah die weit offenen Augen, ihr Elend stieß sie noch tiefer hinab. Das Hemd, der Mantel, mühsam schlurfte Wendel zu ihrer Tochter. »Lisel«, und strich behutsam über den heißen Kopf.
    »Hat er dir weh getan?«
    »Ja, mein Kind.«
    Aufschluchzend klammerte sich das Mädchen an die Mutter. »Darf ich mich anziehen?«
    Den ersten Schritt bin ich gegangen, auf diesem Weg gibt es keine Umkehr. Wendel zwang sich zur Ruhe. »Später, Lisel. Wenn du gehorchst, wird alles gut. Vertraue mir, vielleicht gehen wir ins Paradies.«
    Tapfer nickte das Mädchen. Wendel streifte den Ärmel ihres Umhangs zurück, nahm den Dolch, entschlossen ritzte sie einen langen Schnitt in das Fleisch. Mit dem Blut verschmierte sie den Unterleib und die Schenkel der Tochter, befleckte das Samttuch, auf dem der Bruder des Propheten schnarchte.
    »Komm«, sie ließ den Kittel liegen und trug Lisabeth auf den Armen hinaus.
    Das Licht der Morgensonne durchflutete das Zimmer. Artig hockte Irmel neben Magdalene am Eichentisch, trotz des warmen Wetters hatten sie feste Stiefel anziehen müssen.
    »Wartet hier«, hatte Wendel ihnen befohlen und ihren Mann, kaum war er von seiner Nacht zurückgekehrt, in die angrenzende Kammer gezogen.
    Schuldbeladen irrte Johann vor ihr hin und her. Wendel hielt sich mit einer Hand an der Kante des Stehpults fest, ihre Faust lag auf dem geöffneten Testament. »Kein Wort der Rechtfertigung findest du hier. Das lässt Gott nicht zu. Ihr habt euch über seinen Willen erhoben, auch du! Die Schuld müsst ihr Götter euch selbst vergeben.«
    Haltlos stürzten Tränen aus seinen Augen, nass glänzten die Narben. »Lebt Lisabeth noch?«
    »Sie redet wirr. Deine Tochter liegt bei den anderen wimmernden Mädchen. Nicht einmal die Wundheilerin darf sie berühren. Ihren kleinen Körper hat dieser grausame Bruder des Propheten mit seiner Lust zerstört.«
    Johann schlug die Fäuste gegen die Schläfen, klagte laut.
    Das genügt mir nicht, du Prädikant. Kalt beobachtete Wendel seine Verzweiflung. »Morgen wird er sich Magdalene holen. Dieser Bastard spielt doch so gern mit unsern Kindern.«
    »Schweig. Bitte, Wendel, ich flehe dich an!« Jeder Hochmut war gewichen.
    Zum ersten Mal sprichst du mich wirklich an. Wendel schüttelte den Kopf. Ich darf dich nicht befreien, nur dein Schmerz kann uns retten. »Abraham war bereit, seinen Sohn zu opfern. Setz Irmel das Messer an die Kehle, du wirst sie töten müssen, denn der Herr wird dir nicht in den Arm fallen. Töte sie, bevor einer deiner Heiligen wie ein Tier über sie herfällt!«
    Gepeinigt schrie Johann auf. »Was soll ich tun?«
    Wendel ging zu ihm. »Es gibt einen Weg, Johann. Du kannst unsere Kinder aus dieser Hölle befreien.« Fest nahm sie das Gesicht in die Hände. »Der Hauptmann, der uns in die Stadt geführt hat, befehligt die Wachen am Tor, auch die Posten, die vor den Geheimgängen stehen.«
    »Es gibt keinen Verrat in der Stadt Zion.«
    »Hör mich an«, sie ließ ihn nicht los, »dieser Kerl hat allen Grund, mich zu fürchten. Ich wollte ihn schützen, doch jetzt kann ich nicht anders.« Nach schweren Atemzügen überwand sie sich: »Seit Wochen schon stellt er mir nach, flüstert mir schamlose Worte zu. Er will mich zum Ehebruch verführen.«
    Sofort wuchs der Prädikant in Johann. »Wer des Nächsten Weib begehrt, hat den Tod verdient.«
    Wendel nickte. »Vorher aber soll er deine Kinder retten.«
    Kein Verrat, als er begriff, dass sein Ansehen, seine Stellung an der Seite des Propheten nicht in Gefahr geriet, siegte die Angst um die Töchter, Johann war einverstanden. Er würde den Hauptmann zur Rede stellen, ihm mit der ganzen Härte des Gesetzes drohen.
    Kalt drängte Wendel weiter.
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