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Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen
Autoren: Tilman Röhrig
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Antwort ausfiel. »Erst dann kann ich zur Ruhe kommen.«
    »Warum nimmst du die Kinder mit?« Greet schlug die Faust auf den Tisch, um ihre Angst zu übertönen.
    »Diesmal komme ich sofort zurück.«
    »Warum?«
    »Die Mädchen haben Johann im Neuen Jerusalem erlebt. Dieses Bild, Greet! So dürfen sie sich nicht an ihren Vater erinnern.«
    Schließlich hatte die große Frau geholfen, das Nötigste zu packen. Karren, freundliche Bauern, leicht war die Reise nach Brühl gewesen.
    Wendel strich das Haar aus dem Gesicht. Ja, ich zahle Eintritt wie diese gierigen Weiber. Einen anderen Weg gab es nicht. Vergeblich wehrte sich Wendel gegen die Scham.
    Sie hörte ihre Stimmen, noch ehe der Wächter die Tür aufstieß.
    »Größer. Krämerin. größer hätt ich ihn mir vorgestellt!« Beide Kugelhauben waren verrutscht.
    »Geh schon, Wagnerin. Wir warten hier«, gönnerhaft schob die Frau des Kanzleiboten Wendel zur Kerkertreppe. »Vor dem fürchtet sich keine Frau mehr.«
    Während Wendel die Stufen hinunterging, hörte sie noch: »Ich halt es nicht länger, Krämerin! Ich hock mich einfach in den Gang.« Mit einem Mal herrschte Furcht, die Füße tasteten nur, Wendel fiel nicht, kaum nahm sie die Öllichter in den Mauernischen wahr, stand im Vorraum.
    »Das macht zwei Stuber, Frau.« Breitbeinig saß der Zellmeister hinter den gestapelten Einnahmen des Vormittags. Wendel legte ihre Münzen dazu.
    »Willst du es sehen?« Schlau blickte sie das Gesicht an.
    Ich bin hier, Johann, nur dunkel hatte sie die Frage gehört, nickte.
    »Wusst ich’s doch«, fordernd tippte der Zellmeister auf den Tisch. »Alle Damen wollen es sehen. Zwei Stuber extra.«
    Sie begriff das Geschäft nicht, zahlte, ohne zu fragen. Sein Blick setzte sich auf die Geldtürme. »Beim Jahrmarkt, wenn ich da den Wiedertäufer zeigen könnt! Reich wär ich.«
    Der Kahlkopf schlurfte voran, führte Wendel in das angrenzende Gewölbe. Gestank nach Kot und Urin. Ein Gitter trennte den Raum, in Ringen zwischen den Stäben brannten Pechfackeln, Licht genug.
    »Du musst dich schon dicht ranstellen.«
    Wendel gehorchte. Auf der Streu lag ein gekrümmter Körper, nur bedeckt mit einem Kittel. Der Knecht trat in den Käfig, warf die Gestalt auf den Rücken, zog sie an den Füßen bis zu den Stäben.
    »Guck genau hin«, er grinste und schob langsam den Kittel die aufgeplatzten Beine hoch.
    »Nein!«, schrie Wendel, war wach, verstand, welches Vergnügen für die zusätzlichen Stuber geboten wurde.
    Der Kerl unterbrach die Enthüllung, blöde sah er sie an. »Mehr ist an dem Hurenbock nicht mehr ganz. Nur das Werkzeug.«
    Fest umklammerte Wendel die Stäbe. »Ich habe es mir anders überlegt.«
    »Das schöne Geld. Willst du nicht doch? Ich mach’s schnell«, bot er an.
    »Nein«, sie atmete, »ich will nur mit ihm reden, das ist besser.«
    Für das zu viel entrichtete Geld sollte der Kerkerknecht an der Tür warten. Er zuckte die Schultern. »Nach der letzten Folter hat er nichts mehr gesagt. Aber du hast ja bezahlt.« Damit schlurfte er bis zum Ausgang, ließ Wendel allein.
    Zerschnittene Fußsohlen, die schwärzlichen Beine lagen nach innen gedreht, Blut verkrustete den Bart, nur eine offene Wunde war der Mund. Der Anblick stürzte in ihr Bewusstsein, Wendel wehrte sich nicht, fassungslos sah sie auf den zerstörten Menschen.
    »Hörst du mich?«, flüsterte sie endlich.
    Er bewegte sich nicht.
    »Johann«, halblaut, wieder und drängender.
    Die Lider zuckten, öffneten sich, »Wendel?«, seine Augen starrten zum Gewölbe hinauf.
    »Ja, Johann. Ich bin gekommen.«
    »Wendel?« Er zog den Körper zusammen, sah sie, fragte wieder ihren Namen. streckte und krümmte, wand sich herum, bis sein Gesicht an den Stäben lag.
    Alle Fragen hatten ihren Sinn verloren. Mit Glutzangen und Schrauben verbrannt, gequetscht, nur Elend blickte sie an.
    »Sag mir …«, der wunde Mund mühte jedes Wort.
    Wie konnte sie jetzt noch Schuld einfordern? »Deinen Kindern geht es gut. Konrad hat Lisabeth nie berührt.« Mehr Trost wusste Wendel nicht.
    Heftig bewegten sich die Lider, seine Augen wurden klarer, lebten.
    »Was hat Adolph gesagt?«, er brach ab, sog den Atem, sammelte neue Kraft.
    »Wann, Johann?«
    Laut flehte er: »Zum Schluss. Sag es mir.«
    Wendel schwieg, konnte nicht antworten. Tränen liefen ihr aus den Augen, heiß auf den Wangen. Wieder, nach so langer Zeit. Sie rieb sie nicht fort und sprach Johann die Worte langsam vor, wiederholte den letzten Satz. »Vater, in Deine
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